Re: Gespräch mit Thorulf Müller (Sozialpolitik)

GKVler, Samstag, 01.05.2010, 15:35 (vor 5320 Tagen) @ Thorulf-Freund

deine Stänkerei hier im Forum geht allmählich auf den Geist. Thorulf ist einer der anerkanntesten Persönlichkeiten im Krankenversicherungsmarkt. Seine Kunden die Kassen und vorrangig privaten Versicherer selbst.

zunächst mal: ich stänkere nicht, ich sag hier meine Meinung - auch wenn diese offensichtlich für einige Vertreter der PKV hier unbequem ist...

und ja richtig: die Kunden von Thorulf Müller sind die PKVen - und daher vertritt er wohl auch deren Interessen

Nun hat Thorulf die Klasse mit dem Gewissen Charme und Witz Fakten verständlich darzustellen. Genau das spiegelt dieses Interview wieder, wenn auch im "Kneipenstil".. so versteht es vielleicht ansatzweise auch der eigenleistungsfreie und somit "beitragsfreie" Hartz IVler.

über Charme und Witz kann man streiten - das ist wohl Geschmackssache

das Interview stammt wohl aus einer Anzeige eines Versicherungsmaklers - ich glaube also nicht, dass Arbeitslose zu der Zielgruppe dieses Interviews gehören. Und die "Fakten" -welche eigentlich? das Interview ist meiner Meinung nach einfach eine Meinungsäußerung.......

Auch als GKVler, dessen Geschäft nix anderes ist als ein SGB V zu verwalten und umzusetzen - als ein Verwalter ohne eigentliche Handlungsspielräume sollte man den Blick über den Tellerrand hinaus haben.

oh täusch dich nicht, die GKVen haben zwischenzeitlich schon einen gewissen Handlungsspielraum - daher gibt es ja auch Unterschiede, z. B. bei Angeboten der integrierten Versorgung, Wahltarifen und auch was Zusatzbeiträge bzw. Beitragserstattungen betrifft
und ich guck schon über den Tellerrand und sogar über den großer Teich hinaus: und seh ein Land, dass vorwiegend auf private Absicherung setzt, in dem ein großer Teil der Bevölkerung nicht krankenversichert ist (nicht etwa, weil er nicht will sondern weil es nicht finanzierbar ist), ich seh dass dort die Pro-Kopf-Kosten am höchsten weltweit sind und ich seh, dass dort eine ernsthafte oder gar chronische Erkrankung ein großes finanzielles Risiko darstellt, bis hin zum Bankrott. Das möchte ich für Deutschland ehrlich gesagt nicht...du?

Leider führen sich die meisten Kassen auf, als hätten die Entscheidungsgewalten was perse einfach nicht stimmt!


siehe oben - es gibt Entscheidungsspielräume, auch wenn du das nicht wahrhaben willst

Daher sind Maßnahmen zur Kosteneffizienz (sprich Zusammenlegung von Verwaltungen = Fusionen von Kassen) überaus zu begrüßen. Was neben der Kosteneinsparung auch eine größere Verhandlungsmacht gegenüber Pharmalobby etc. mit sich bringt - hat aus meiner Sicht eher etwas Positives als Negatives!


es gibt doch schon eine Menge Fusionen....ob die dazu führen, dass das Gesamtsystem wirtschaftlicher wird, muss man zunächst mal abwarten

Ich gehe gern noch ein paar Schritte radikaler an die Sache als Thorulf - eine Verwaltung braucht keine Entscheidungsvorstände (jegliche Entscheidungen sind im SGB V vorgeschrieben) sonder Abteilungsleiter - hier greifen für mich als angemessene Bezahlung die Besoldungstabellen des öffentlichen Dienstes, nicht aber die irrsinnigen Gehälter mancher Kassenvorstände! Setzt man konsequent solche kleinen Dinge um, ist neben angemessener Bezahlung der Kassenmitarbeiter und Vorstände, Weglassens des gesetzlich nicht dokumentierten SchnickSchnaks ein kleiner, weiterer Beitrag in Richtung Finanzierbarkeit getan.


wenn du keine Kassenvorstände mehr hast, wer soll die Kassen dann leiten? jede Firma und jede Behörde hat einen Chef - weil irgendjemand sagen muss, wo es lang geht.
und was die Bezahlung betrifft: im Vergleich zu den Vorständen der PKVen die die die Kassenvorstände doch Waisenknaben!
Ich weiß ja jetzt nicht, was du unter Schnickschnack verstehst. Aber allein die Posten ärztliche Vergütung, Krankenhausbehandlung und Arzneimittel sind für mehr als zwei Drittel der Kosten verantwortlich. Und das ist sicher kein Schnickschnack.

Ach ja, die großen Aufgaben, z.B.Pharmalobby lahm zu legen - sollte man aber auch einmal den Leistungsempfängern finanziell weh tun. Diese verursachen nun einmal die Leistungsausgaben.

ich versteh die Aussage nicht ganz: sollte es vielleicht heißen "anstatt die Pharmalobby lahm zu legen, sollte man auch einmal den Leistungsempfängern finanziell weh tun"?

wie sollte man der Pharmalobby nicht weh tun? ihre einzige Aufgabe ist die Vertretung der Interessen der Pharmabranche. für die gesundheitliche Versorgung hat sie überhaupt keine Relevanz....

oder hast du vielleicht nicht die Pharmalobby, sondern die Pharmabranche gemeint? die Pharmabranche brauchen wir natürlich. Aber man sollte auch sehen, dass Milliarden von Euros eingespart werden könnten, wenn die Arzneimittelpreise auf den europäischen Durchschnitt gesenkt werden könnten. Und ich glaube ja nicht, dass die Unternehmen der Pharmabranche in anderen europäischen Staaten Verluste machen...

und den Leistungsempfängern wurde in den letzten Jahrzehnten schon häufig genug weh getan - jetzt sind mal die anderen dran

Es kann nicht sein, das der haxenfressende und bierschlürfende übergewichtige Sportmuffel den Leistungsanspruch hat, von anderen, gesundheitsbewußten Menschen mit "durchgefüttert" zu werden. Hier finde ich im Übrigen das Risikozuschlagssystem der PKV sehr interessant. Sozial abgefedert könnte solche eine Geschichte auch einen gewissen Erziehungseffekt bei den Kassenversicherten haben. Gehe ich mit meinem Körper um wie ein Schwein, zahle ich auch berechtigt mehr - oder verzichte freiwillig auf Versorgung.

da bin ich anderer Meinung als du: zuerst einmal bringen positive Anreize (z. B. Lob) mehr als negative Anreize (z. B. Tadel). Daher finanzieren die Kassen auch die von die und Herrn Müller so gescholtenen Präventionsprogramme: Kurse, in denen die Versicherten zu gesundheitbewusstem Verhalten "erzogen" werden sollen wie z. B. Kurse zur Raucherentwöhnung, zur Ernährungsumstellung, für mehr Bewegung und gegen Stress
die von dir bevorzugten "Risikoprämien" benachteiligen nur Personen, die eh schon an einer chronischen Krankheit leiden, für die sie vielleicht gar nix können. Und wie willst du feststellen, ob jemand raucht oder nicht, wo ist die Grenze zwischen gesundem Sport und Risikosport? ein Glas Rotwein ist gesund, eine Flasche ist ungesund - wo bitte ist die Grenze? und wer soll das kontrollieren? und wer soll die Kontrolleure bezahlen?????

Es gehören aber auch höhere Alkohol- und Tabaksteuern, oder die prinzipielle Einstufung als anerkannte Abhängigkeitsdrogen solcher Dinge. Denn diese Volkserscheinungen sind mir auch ein Dorn im Auge...

Statt immer nur auf die PKVen zu schimpfen und jegliche Veränderung am auslaufenden (da nicht mehr finanzierbarem) GKV-System zu bemängeln, sollte man den Verstand und den Weitblick haben sich einmal genauer anzuschauen, was wirklich Sinn macht! Es geht bei Weitem nicht mehr nur um die Finanzierungsfrage - es geht um eine Umerziehung eines ganzen Volkes mit falschem Anspruchsdenken!

Steuern auf Alkohol, Zigarretten gibt es doch schon!

Wenn man sich Kostenverläufe bei GKVen und PKVen anschaut, kann man nur zu einen Schluss kommen: das System, dem finanziell zuerst die Puste ausgehen wird, ist die PKV!

und was die Umerziehung eines Volkes betrifft: wir hatten vor 70 Jahren schon mal jemanden, der das probiert hat - bitte nie wieder!!!!

Gruß GKVler


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