Re: an alle Rentner (Gesetzliche Krankenkassen)

Umverteiler, Freitag, 08.10.2004, 18:53 (vor 7354 Tagen) @ jan

Von Rentenerhöhungen sprechen nur diejenigen, die die 0,11 % nominale Rentenerhöhung am 1.7.2005 für eine wirkliche Rentenerhöhung halten und sich von der Politik Sand in die Augen streuen lassen. Tatsächlich geht es beschleunigt abwärts mit der Rente, weil eben kein Geld da ist.

Wie schon gesagt, ich bin kein Rentner und kann nur jedem, der jetzt schon Rente bezieht, gratulieren, dass er noch so etwas wie eine positive "Rendite" aus der Zwangsumlagefinanzierung namens Rentenversicherung erzielen kann (wenn er lang genug lebt und dauerhaft keine künstlichen Hüftgelenke benötigt, weil diese von der Krankenkasse zukünftig nicht mehr bezahlt werden).

Das Problem mit der Rentenversicherung ist nicht, dass es zu wenig Kinder gibt bzw., genauer gesagt, junge Frauen (vor allen Dingen Akademikerinnen), die dem Führer (pardon Kanzler) kein Kind schenken wollen. Die Zeiten des gesellschaftspolitischen Gebärzwangs sind hoffentlich vorbei, und man sollte auch keiner jungen Frau ein schlechtes Gewissen einreden, wenn sie sich für ihre Karriere und gegen eigene Kinder entscheidet. Unserem Sozialversicherungssystem mangelt es nämlich in erster Linie an Beitragszahlern bei einem arbeitenden und gleichzeitig beitragzahlenden Bevölkerungsanteil von ca. 35% an der arbeitsfähigen Bevölkerung. Damit sind wir in negativem Sinne Spitzenreiter unter den Industrienationen. Offensichtlich kümmern sich schon jetzt sehr viele Frauen nur um die Familie/den eigenen Nachwuchs, andere Frauen und Männer gehen bewusst in die gesetzlich garantierte Teilzeitarbeit, sehr viele arbeiten in sozialversicherungsfreien bzw. nahezu sozialversicherungsfreien 400 Euro-Jobs (eine tolle Erfindung zu Lasten der Sozialkassen und des Steuersystems), viele haben sich in der Schwarzarbeit eingerichtet, andere können wunderbar mit Arbeitslosengeld/-hilfe bzw. Sozialhilfe über die Runden kommen.

Das Geschrei nach Kindern, die diese Gesellschaft ach so dringend braucht, führt im übrigen auch nicht sofort zu mehr Sozialversicherungsbeitragszahlern, denn diese Kinder sind nach der Geburt erst einmal Sozialversicherungsempfänger, denn sie kosten der Gesellschaft (und natürlich den Eltern) bis zum Berufseintritt eine Menge Geld, eben auch und gerade Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Ob diese Kinder später einmal "gute" Staatsbürger werden und kräftig Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einzahlen, steht auf einem ganz anderen Blatt und ist mehr als zweifelhaft. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zwangs-Rentenversicherungsbeiträge verlorenes Geld sind, wird niemand motiviert, in dieses marode System einzutreten bzw. viel einzuzahlen. Vermeidungsstrategien - wie oben geschildert - werden eher zunehmen, das Umverteilungsvolumen in den Sozialkassen deswegen abnehmen.

Das Problem dieser Welt ist wahrlich nicht die Unterbevölkerung bzw. der Bevölkerungsrückgang in Deutschland, sondern das genaue Gegenteil. Auch in Deutschland haben wir gegenwärtig noch einen enormen "Sozialisationsstress" durch zu viele Menschen auf zu wenig Platz, man fahre nur mal freitagnachmittags eine längere Strecke über die Autobahn, dann kann man dieses komplizierte Wort aus der Soziologie persönlich erfahren.

Am deutschen Wesen, d.h. am deutschem Nachwuchs, muss die Welt auch nicht genesen. Unser Nachwuchs im Kindesalter rekrutiert sich derzeit hauptsächlich aus kinderreichen Familien oder von Alleinerziehenden der Mittel- und Unterschicht dank der entsprechenden steuerlichen Förderung für diese Klientel. Der "importierte" Nachwuchs, der im arbeitsfähigen Alter ist, besteht zumeist aus unqualifizierten jungen Arbeitskräften mit größtenteils selbst verschuldeten Eingliederungsschwierigkeiten (Russlanddeutsche, Gastarbeiter) oder aus Asylanten, die hier gar nicht arbeiten und zu ihrem Lebensunterhalt beitragen dürfen. Diese im Altersschnitt „jungen“ Bevölkerungsgruppen im Vergleich zur deutschen Bevölkerung zahlen per saldo heute nicht in die Rentenkassen ein, sondern stehen auf der Seite der Leistungsbezieher aus dem Sozialversicherungs- und Steuersystem.

Vielleicht sollten wir uns wie die Kanadier, Australier, Neuseeländer und Amerikaner den zuziehenden, "Nachwuchs" im Erwerbsalter, in den keine Ausbildungskosten mehr investiert werden müssen, nach Qualifikation für unseren Arbeitsmarkt aussuchen, um sicherzugehen, dass wir uns auch Beitragszahler und Unternehmer ins Land holen und keine Millionen ungelernter Neueuropäer aus der Türkei. Wohlgemerkt, hier wird nicht ausländerfeindlich oder rassistisch argumentiert, sondern strikt mit Blick auf den Nutzen für unsere Volkswirtschaft. Die Nationalität des Zuziehenden ist hierbei vollkommen gleichgültig, natürlich kann er auch Türke mit entsprechender Qualifikation sein. Wir sollten bei der zwingend notwendigen Öffnung Deutschlands für Einwanderer ausnahmsweise erstmals nach Qualifikation und nicht nach Verwandschaftsverhältnis oder regionaler Zugehörigkeit oder sozialer Benachteiligung der Einwanderer in ihrem Heimatland entscheiden. Wir können nicht alle sozialen und politischen Probleme dieser Welt in Deutschland durch Aufnahme dieser Personen in unseren Sozialstaat lösen.

Langfristig führt kein Weg am kapitalgedeckten Altersvorsorgesystem vorbei, gerade weil der "demographische Faktor" das jetzige System unfinanzierbar macht. Spätestens wenn der Finanzminister den Großteil der Renten mangels Beitragseinnahmen und infolge hoher versicherungsfremder Leistungen (z.B. Ostrenten, für die nie eingezahlt wurde, deren durchschnittliche Rentenhöhe aber heute schon höher als im Westen ist) selbst finanziert, ist das umlagefinanzierte Rentenversicherungssystem am Ende. Das heisst also, jeder sorgt für sich selbst vor und legt das Geld an, das er für sein Alter benötigt oder meint zu benötigen. Das umlagefinanzierte System der heutigen Rentenversicherung ist unsolidarisch für denjenigen, der eigene Vorsorge betreiben will und nicht kann, und wird sich überleben. Dauerhaft negative Renditen eines umlagefinanzierten Systems wird niemand aus der beitragszahlenden jüngeren Generation hinnehmen, die Politik läuft auf einen Generationenkonflikt hinaus. Denn natürlich stellt jeder seine Kosten-/Nutzenrechnung für seine Sozialversicherungsbeiträge auf. Dauerhaft zahlen und keine Leistungen empfangen, also eine dauerhaft negative Rendite der eingezahlten Beiträge überlebt kein umlagefinanziertes Sozialversicherungssystem.

So solidarisch ist niemand, dass er sich wissentlich und dauerhaft ausbeuten lässt im Namen einer anonymen Solidarität und eines unbedingt aufrechtzuerhaltenden Generationenvertrags nach dem Motto, die Rentner kriegen das, was gerade in der Kasse ist, und die Beitragszahler zahlen für eine Leistung, die ihnen wahrscheinlich nie zurückgezahlt wird. Das ist Politik nach Kassenlage und macht aus einem Versicherungssystem ein Steuersystem, dessen Charakteristikum es ist, nur nach momentaner Kassenlage auszahlen zu können. Man muss wissen, dass das umlagefinanzierte System aus der Not heraus geboren ist. Nach dem 2. Weltkrieg gab es keinen Kapitalstock, so dass jede Sozialleistung aus laufenden Beitragseinnahmen finanziert werden musste. Diese Notgeburt wurde zum "solidarischen Generationenvertrag" hochstilisiert und wird bis heute von Sozialpolitikern aller Parteien als Glaubensbekenntnis heruntergebetet und wie eine Monstranz vor sich her getragen. Man hätte sich schon Anfang der 70-er Jahre, als es infolge des Wirtschaftsaufschwungs noch möglich war, langsam in ein kapitalstockfinanziertes System bewegen müssen. Stattdessen wurden in den Sozialversicherungssystemen Wahlgeschenke gemacht, sogenannte versicherungsfremde Leistungen erfunden, die den erhöhten Verteilungsspielraum unter das Volk brachten. Die Politik hat das Volk korrumpiert und verdummt, um an der Macht zu bleiben. Heute ist es für einen sanften Systemwechsel in den Sozialversicherungssystemen zu spät, der Schnitt wird hart werden.

Deshalb sind bereits erworbene Ansprüche von Beitragszahlern aus Steuermitteln zu finanzieren, denn bei den Beamten geht dies schließlich auch zu Lasten der Staatsschulden. Und wenn sich noch jemand fragt, wie er sein Geld fürs Alter privat anlegen soll, damit seine Alterseinkünfte sicher sind, dann halte er sich doch an den Werbespruch des Finanzministers für seine Bundesschuldpapiere, der da sinngemäß heißt: "alles möglich, außer böse Überraschungen". "Sichere" Schulden des deutschen Staats gibt es massig, das Ausfallrisiko beschränkt sich auf die Pleite der gesamten Gesellschaft und ist damit genauso gut oder schlecht kalkulierbar wie die eigene wirtschaftliche Existenz.


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