Re: Frage an die besser Informierten.... (Krankenkassenrecht)

Elgin Fischbach @, Donnerstag, 02.10.2003, 22:55 (vor 7722 Tagen) @ P.

Zitat:

""Wenn die Krankenkassen entscheiden mit welchen Ärzten sie Verträge machen sind die Patienten arm dran. Keine freie Arztwahl mehr und warscheinlich entscheiden sich die Kassen nach dem Preis (billig=gut). Weder die Kassen noch die Patienten können Aussagen über die Qualität der Ärzte machen (ich war 10 Jahre lang Arzthelferin, drum kann ich auch das beurteilen). Der Arzt ist nett also gut, er verschreibt alles was ich will, also gut, er will sich erst beim Spezialisten erkunden also ist er schlecht, er muss überweisen also taugt er nichts usw.""

Krankenkassen mit ""außergewöhnlichen"" freiwilligen Zusatzleistungen im alternativmedizinischen Bereich (anthroposophische Medizin, Homöopathie etc.) oder für Schmerzpatienten müssen aus meiner Sicht das Recht haben zu entscheiden, mit wem sie Verträge abschließen (oder auch nicht), wenn ein fachkompetenter Kooperationspartner zur Durchführung des Modellprojektes beiträgt. Beispielsweise führt die IKK Hamburg derzeit ein Modellprojekt für anthroposophische Medizin durch - mit dem Ziel, diese besondere Therapierichtung komplett im Pflichtleistungskatalog aller gesetzlichen Krankenkassen zu verankern. Fachkompetenter Kooperationspartner ist der Verein ""Gesundheit aktiv - anthroposophische Heilkunst e. V."" (früher: Verein für anthroposophisches Heilwesen e. V.). Hier haben sich Patienten (wie ich), Ärzte, Therapeuten und Einrichtungen (Krankenhäuser, Sanatorien, Kurkliniken etc. - die anthroposophisch ausgerichtet sind) zusammengeschlossen. Im Verlauf dieser Zusammenarbeit kommt sehr wohl heraus, wer objektiv ""gut"" oder ""schlecht"" ist (wer als Leistungserbringer die qualitiativen Voraussetzungen nicht erfüllt, wird umgehend aus den entsprechenden Verzeichnissen gestrichen und auch nicht mehr weiterempfohlen!).


Zitat:

""Wie wär"s wenn nur noch nach dem Erfolgsprinzip gezahlt würde:
Patient wieder gesund also gibt"s Geld
noch nicht gesund also kein Geld ...""

Auch bei Ärzten muss - im Interesse der Patienten - ein leistungs- und qualitätsgerechtes Vergütungssystem eingeführt werden, wie es andere ArbeitnehmerInnen in ihren Betrieben heutzutage bereits scharenweise betrifft. Wenn wir schon über sinnlose/unnütze Geldverschwendung im Gesundheitswesen debattieren: Hier muss der Hebel wirksam angesetzt werden! Dass die Behandlungserfolge bei einem chronisch Kranken andere sind als bei einem Akutkranken, muss hierbei natürlich berücksichtigt werden (einem chronisch Kranken ist mit einer deutlichen Linderung seiner Beschwerden bereits sehr geholfen - bei einem Akutkranken hingegen muss Beschwerdefreiheit das primäre Ziel sein). Die vom Arzt aufzustellende Diagnose beinhaltet ja faktisch schon die Zugehörigkeit zu einer dieser beiden Patientengruppen - sodass dann die entsprechenden Leistungs- und Qualitätsmaßstäbe zu gelten haben.

Zitat:
""Die Leute von den Kassen können nicht mal Diagnosen richtig lesen, ich hab" da schon Hammer erlebt!""

Oftmals wegen Unkenntnis - denn schließlich erwerben Sozialversicherungsfachangestellte (die bei den Krankenkassen beschäftigt sind) heutzutage noch kein so umfangreiches medizinisches Vorwissen wie ein Arzt. Da helfen nur Mitarbeiterschulungen - durch Ärzte und anderes medizinisches Fachpersonal. Auch wenn dies kurzfristig zu höheren Kosten führt: Langfristig wäre damit dem gesamten System positiv gedient!


Zitat:

""Die Kopfpauschalen wurden erfunden, weil die Kassen die Leistungen nicht zahlen könnten wenn sie direkt abgerechnet werden würden.""

Das Kopfpauschalensystem ist äußerst ungerecht: Krankenkassen, deren Versicherte ärztliche Leistungen in tendenziell geringerem Umfang beanspruchen (bzw. deren Versicherte größtenteils nur selten oder oftmals über lange Zeiträume hinweg überhaupt nicht zum Arzt gehen) müssen für die höheren Behandlungskosten von Versicherten anderer Krankenkassen mit aufkommen (die Kopfpauschale für jeden Versicherten muss von der jeweiligen Krankenkasse unabhängig von der ärztlichen Inanspruchnahme gezahlt werden). Hier muss das Verursacherprinzip eingeführt werden - zu Gunsten solcher Krankenkassen, deren Versicherte im eigenen Interesse (Vermeidung unnötiger Beitragserhöhungen) verantwortungsvoll mit den Beitragseinnahmen ihrer Krankenkasse umgehen und mehr Eigenverantwortung praktizieren - in Form eines gesundheitsbewussten alltäglichen Lebensstils (Ernährung, rauchfrei, ausreichend Bewegung etc.). Über die Bewertungsmaßstäbe müssen sich Ärzte und Krankenkassen einigen - damit (im Gegensatz zum heutigen Kopfpauschalensystem) für alle Krankenkassen einheitliche Erstattungssätze Gültigkeit erlangen - auch ein Beitrag zur Gerechtigkeit innerhalb des Systems. Durch diese krankenkassenübergreifende Vereinheitlichung der Maßstäbe ist es dann möglich, per entsprechender EDV-Technik (Software) eine zügige Bearbeitung ohne allzu viel Personalaufwand zu erreichen.


Zitat:

""Die KVen führen z.B. auch Qualitätssichungsprüfungen durch und die Wirtschaftlichkeit der Abrechnungen wird vom Prüfungsausschuss (in dem auch die Kassen sind) überprüft.""

Bezüglich der Qualitätssicherung habe ich nicht den Eindruck, dass sich die KVen ernsthafte Gedanken machen - denn dafür habe ich schon viele allzu ""unterschiedliche"" Ärzte bezüglich ein und derselben Erkrankung erlebt!


Zitat:

""Ihr würdet Euch wundern wie wenig ein Arzt für Eure Behandlung bekommt. Die Leistungen sind budgetiert und die Fallzahlen (Patienten) sind begrenzt. D.h. je mehr die Ärzte abrechnen, desto weniger bekommen sie für eine Leistung.""

Nach wie vor gibt es etliche Behandlungsbereiche, die nicht durch die Kopfpauschalen abgedeckt sind und nicht von allen gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt werden (Alternativmedizin, besondere Behandlungen für Schmerzpatienten etc.) - diese werden vom Arzt per Privatrechnung abgerechnet (der Patient holt sich hier im Nachhinein das Geld von seiner Krankenkasse zurück, wenn diese entsprechende Modellprojekte oder sonstige freiwillige Satzungsleistungen anbietet).

Zitat:

""Wir bräuchten was grundsätzlich Neues.""

Ja, sehr richtig - vor allem ein verursachergerechteres, leistungs- und qualitätsbezogeneres System als heute!


Zitat:

""Außerdem müsste die Bürokratie gewaltig abgespeckt werden (auch bei den Kassen). Aber da traut sich keiner ran weil es Wählerstimmen kosten könnte.""

Völliger Quatsch: Aus dieser Sicht ""überschüssige"" Mitarbeiter (verursacht durch die Schließung von Geschäftsstellen - wegen der mit ihnen einhergehenden hohen Fixkosten wie Miete/Pacht und Nebenkosten und zwecks ""Verschlankung"" der Verwaltungs-/Informationswege) können bei den Krankenkassen in solchen Servicebereichen eingesetzt werden, in denen objektiv Mangel herrscht (hier brauche ich mir beispielsweise bei nicht wenigen Krankenkassen heutzutage nur "mal die telefonische Erreichbarkeit außerhalb der ""üblichen"" Bürozeiten anzugucken - für berufstätige Mitglieder ein äußerst wichtiger Aspekt, alternativ oder ergänzend machen sich auch Außendienstmitarbeiter gut - denn diese sind ebenfalls außerhalb der ""üblichen"" Bürozeiten für die Versicherten verfügbar, und manche Dinge lassen sich nun "mal nicht per Telefon/Internet/E-Mail optimal erledigen). Ich bin selbst ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionärin (d. h. Vertreterin von Arbeitnehmerinteressen) - und im Gegensatz zum derzeitigen ""Blockierer-Image"" der Gewerkschaften zu sinnvollen Veränderungen bereit, wie viele andere KollegInnen übrigens auch!


Gruß
Elgin


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