Re: Aegroti salus suprema lex (Sozialpolitik)

Jack @, Montag, 18.04.2005, 17:42 (vor 7160 Tagen) @ Bosselt

Wenn der Arzt ein Budget für 1000 Patienten im Quartal bekommt, und jeder Patient bringt 50 Euro, sind das 50.000 Euro im Quartal. Umsatz, nicht Gewinn. Der Kostenanteil liege bei 25 Euro pro Patient, davon 5 Euro direkt zuordnungsfähig, 20 Euro fixe Praxiskosten. Es errechnet sich ein Gewinn von 25.000 Euro, pro Monat also etwa 8.330 Euro. Davon gehen ab Sozialversicherung (voll zu zahlen, da kein Arbeitgeber was zusteuert), Steuern, usw. . Der Rest ist dann 1. Lohn für verrichtete Arbeit (55-60 Wochenstunden) und 2. Unternehmergewinn für das Risiko, eine Praxis gegründet und dafür Kredite und sonstige Verpflichtungen eingegangen zu sein. Was am Ende rauskommt, ist pro Stunde nicht viel mehr, als ein beamteter Lehrer verdient, Beihilfe und kostenlose Altersversorgung eingerechnet. Das war vor 10 Jahren.

Nun sinkt der Punktwert seit über 10 Jahren, die Kosten aber steigen. Man bekommt nur noch 40 Euro pro Patient, die Kosten sind auf 28 Euro gestiegen, davon 6 Euro direkt pro Patient entstehend. Umsatz 40.000 Euro, Gewinn 12.000 Euro. Nach Abzug von Sozialversicherung und Steuern bleibt noch etwas, was weder einem angemessenen Stundenlohn noch dem notwendigen Unternehmergewinn entspricht.

Nun kommt das Abweisen eines Patienten ins Spiel: Ich bekomme maximal 1000 Kassenpatienten bezahlt und erlöse keinen angemessenen Gewinn mehr aus der Tätigkeit als Kassenarzt. Würde ich nun 200 Patienten mehr behandeln, und die bringen Kosten von 6 Euro pro Patient mit, habe ich zusätzliche Kosten von 1.200 Euro. Die Behandlung über das Budget hinaus schmälert also meinen ohnehin kargen Gewinn noch mal um 10 %. Der Gewinn sinkt nämlich von 12.000 Euro um diese 1.200 Euro auf 10.800 Euro.

Viele Praxen leben heute nur noch von Privatpatienten, während Kassenpatienten im Wesentlichen nur noch die Kosten decken, teils noch nicht mal mehr das. Und durch die neue Gebührenordnung ab 1.4. und die Segnungen des Gesetzgebers durch das GMG wie IV-Verträge geht es mit dem Umsatz absehbar noch rascher bergab als in den letzten Jahren. Ambulante Operationen werden abgebaut, weil es nicht mehr lohnt. Wartezeiten steigen. Patienten werden notgedrungen abgewiesen.

Wen das beunruhigt, kann sich weiter informieren.

Wer das nicht sehen will ("Diese Personen interessiert das überhaupt nicht. Die wollen behandelt und wieder gesund werden."), steckt den Kopf in den Sand.

In Mecklenburg-Vorpommern ist es schon ganz wüst. Da sind schon jetzt 150 Hausarztpraxen unbesetzt, und kein Arzt will unter diesen Bedingungen die Praxen übernehmen. Weitere 300 Praxen stehen wegen des Alters der Inhaber vor der Schließung. Das droht auch hier in wenigen Jahren. Hautärzte Mangelware, Fachärzte nur noch an Kliniken, monatelange Wartezeiten.

Wer nix weiß, braucht sich auch keine Sorgen machen. Motto: "Den Arzt und alles was ich will, zahlt die Krankenkasse. Und der Strom kommt aus der Steckdose. Einfach so. Wie er da hineinkommt, interessiert mich nicht."


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