Birgit Fischer - verlässt sie ein sinkendes Schiff? (Gesetzliche Krankenkassen)

gekko, Montag, 21.03.2011, 09:01 (vor 4996 Tagen)

Birgit Fischer verlässt die Barmer GEK
Die Vorstandsvorsitzende wird Hauptgeschäftsführerin bei Pharma-Verband / Wird Dr. Schlenker Nachfolger?
Diese Nachricht verblüffte gestern die Gesundheitsszene: Vorstandsvorsitzende Birgit Fischer verlässt die Barmer GEK und wird zum 1. Mai 2011 neue Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller. Ihr Stellvertreter Rolf-Ulrich Schlenker war „völlig geplättet“ und wollte sich „jetzt noch nicht“ äußern, ob er für eine Nachfolge bereit stehe. OB Richard Arnold „bedauert“ Fischers Schritt für Gmünd, AOK-Chef Jörg Hempel spricht von einem „schweren Schaden für die ganze Gesetzliche Krankenversicherung“.

Schwäbisch Gmünd. Dass Birgit Fischer quasi „auf die andere Seite“ wechselt und nun oberste Pharma-Lobbyistin wird, kam selbst für ihre Vorstandskollegen der Barmer GEK „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“. „Vize“ Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, der als früherer Vorstandsvorsitzender der Gmünder Ersatzkasse GEK den Zusammenschluss mit der Barmer vorangetrieben hatte, sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er „erst am Mittwochabend“ von Fischers Entscheidung erfahren habe. „Es gab keine Unstimmigkeiten im Vorstandsgremium“, versicherte Schlenker, „die Harmonie war groß und wir haben ja auch erfolgreich zusammengearbeitet.“ Die Barmer GEK ist mit 8,6 Millionen Versicherten die größte deutsche Krankenkasse. Verwaltungsratsvorsitzender Holger Langkutsch, starker Mann im Hintergrund, will zeitnah eine Nachfolgeregelung treffen. Bis dahin werden der stellvertretende Vorsitzende Dr. Schlenker und Vorstandsmitglied Jürgen Rothmaier die Arbeit des Vorstands fortsetzen.
Wer Nachfolger/in wird, ist völlig offen. Insider gehen davon aus, dass es keine Sachentscheidung gibt, sondern eine politisch gewollte. Der Verwaltungsrat der Barmer GEK, der den Chefposten vergibt, ist nämlich stark gewerkschaftlich geprägt, allerdings auch zerstritten. Allein neun Listen treten zur nächsten Wahl der Selbstverwaltung an, darunter eine Gruppe von Gmünder Beschäftigten, die gegen die Fusion war. Schlenker wollte gestern seine mögliche Kandidatur nicht kommentieren: „Wir müssen das alles erst einmal überschlafen“.
Gewinner im Wechselspiel der 57jährigen Birgit Fischer, die früher unter anderem Gesundheits- und Sozialministerin sowie Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen war, ist der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Dieser vertritt die Interessen von 44 weltweit führenden Herstellern in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des VFA repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 90 000 Mitarbeiter, davon arbeiten rund 17 000 in Forschung und Entwicklung.
Der VFA war nach der für seine Mitglieder schmerzlichen Arzneimittelreform von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler von Personalquerelen erschüttert worden. Deshalb musste auch die seit 15 Jahren amtierende Chefin Cornelia Yzer das Feld räumen. Mit Fischer will der VFA nun einen Neuanfang starten – für die bald anstehenden Preisverhandlungen der Pharmahersteller mit den Krankenkassen hätte der Verband kaum jemand besseren als Fischer finden können. „Wir sind sehr froh, dass wir mit Birgit Fischer eine erfahrene und ausgewiesene Gesundheitsexpertin gewinnen konnten. Sie ist eine überaus kompetente Ansprechpartnerin für Politik und Gesellschaft und wird die Positionen unseres Verbandes mit viel Sachverstand und Engagement vertreten“, sagte denn auch VFA-Vorsitzender Dr. Wolfgang Plischke. Fischer solle den Dialog des VFA mit allen Akteuren der Gesundheitsbranche intensivieren. „Wir brauchen in Deutschland ein gemeinsames Bündnis für Gesundheit. Es geht darum, mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen zum Wohle der Patienten die Versorgungsqualität zu sichern und Innovationen zu fördern. Deswegen freue ich mich sehr auf die anstehenden Aufgaben. Das Gesundheitswesen befindet sich im Umbruch. Notwendig ist deswegen ein neues gemeinsames Verständnis aller Beteiligten im Gesundheitswesen über Perspektiven und mögliche Problemlösungen sowie verlässliche Bemühungen um Kooperationen“, wurde Fischer zitiert.
„Birgit Fischer ist eine charmante und kompetente Frau, die konsequent ihren Weg geht“, sagte Richard Arnold, „sie kann durchaus etwas Neues schaffen, das allen Patienten dient“. Der Oberbürgermeister bedauert ihr Ausscheiden bei der Barmer GEK: „Sie war eine verlässliche Partnerin, ich hoffe, dass auch in Zukunft gilt, was sie für Schwäbisch Gmünd versprochen hat.“
„Grauslig“ findet Jörg Hempel, der Chef der AOK Ostwürttemberg, Fischers „Überlauf“ auf die Pharmaseite: „Die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems steht da auf dem Spiel, die Gesetzliche Krankenversicherung wird diskreditiert.“ Hempel kann Fischers Entscheidung „auch emotional“ nicht nachvollziehbar. Nach Berichten verschiedener Medien soll die Führungsposition beim VFA mit über 500 000 Euro im Jahr dotiert, bei der Barmer GEK ist Fischer etwa auf die Hälfte gekommen.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum