Zwangsfrist entfällt (Gesetzliche Krankenkassen)

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Mittwoch, 22.09.2010, 17:03 (vor 5176 Tagen)

Da knallten heute vormittag die Sektkorken nicht nur bei den Versicherungen, denn die Zwangsbindefrist in der GKV fällt zum 1.Januar und schätzungsweise dreissigtausend freiwillig Versicherte können endlich wieder selbstbestimmt über ihre künftige Krankenversicherung entscheiden. Die bereits heute Streit auslösenden Zusatzbeiträge von 8€ werden nach Expertenschätzung schon in wenigen Jahren auf das Zehnfache explodieren, die Arbeitgeber werden mittelfristig entlastet und da der Gesetzgeber noch weitere Beitragserhöhungen politisch nicht durchsetzen kann, wird nach klassischer Salamitaktik der Leistungskatalog von SGB V weiter ausgehölt. Das geschieht merklich und unmerklich, wie bei der Rationierung von Medikamenten, der Verweisung auf Generika, dem erschwerten Zugang zu Fachärzten und Spezialisten oder der "Priorisierung" und Selektion bei unterschiedlichsten Patientengruppen und Behandlungsformen ..

Die private Welt hingegen bietet auch nicht den Honig in Fässern, denn hier muß sehr wohl bedacht werden, daß man als Angestellter im Rentenalter keinen! Arbeitgeberzuschuss mehr erhält. Viele Gesellschaften bieten leider auch Billigsttarife ab 57€ an, die durch Fehlleistungen so im Hilfsmittelbereich gar unter das Niveau der GKV rutschen können. Auch Leistungen für Kuren, eine Psychotherapie oder den möglichen schweren Pflegefall müssen individuell versichert werden und ein Krankentagegeld von 3000€ sollte schon sein. Der Marktblick am Beispiel eines 35jährigen zeigt aktuell und mit Arbeitgeberzuschuss folgende Beiträge inkl. Pflegepflichtversicherung unter Beachtung oben eingeforderter Parameter:

dkv .....................................189€
r+v ......................................208€
würtembergische ................210€
barmenia ...............................211€
continentale ............................383€
ff.

Anm. alles inklusive! Beitragssicherungsprogramm, welches die Zahlbeiträge im Rentenalter um mindestens 250€ senkt, privatärzliche Behandlung bei Arzt und Zahnarzt, Versorgung im 2Bettzimmer, Geltung europaweit

Fragen? joachimroehl@web.de

Zwangsfrist entfällt

Wurstgast, Mittwoch, 22.09.2010, 18:04 (vor 5176 Tagen) @ Joachim Röhl

Leider wieder kein großer Wurf. Hätte mir gewünscht, dass ala Holland ein gesetzlich verpflichtender Leistungskatalog definiert wird, den jede Versicherung (privat oder gesetzlich) anbieten darf und muss. Da Leistungen definiert sind, steigt der Tarif naturgemäß kaum.

Und private Zusatzversicherung decken dann Sonderwünsche ab. Wie zum Beispiel neue Therapien, die sehr teuer sind.

Damit es gerecht bleibt, müsste es natürlich Kontrahierungszwang geben und keine Risikozuschläge o. ä. (Risikoausgleichs müssten die Versicherungen untereinander machen).

So wie es in den Medien dargestellt war, hat sich ja die PKV hiergegen am meisten gewehrt? Kann ich nicht so richtig verstehen, das dürfte doch eine unheimliche Verbreiterung des potentiellen Kundenstammes sein!?

Zwangsfrist entfällt

Czauderna, Mittwoch, 22.09.2010, 19:58 (vor 5176 Tagen) @ Wurstgast

Hallo,
ich denke dass bei dieser ganzen Sache PKV vs. GKV doch mal klargestellt werden muss, dass die oft von der PKV zitierten 30 Millionen Versicherte keinesfalls überwiegend als Vollversicherte der PKV angehören. Der Grossteil ist entweder nur teilversichert (Beamte) oder Zusatzversichert ( das kann jeder sein ). Im Verhältnis zu den 30 Millionen werden die Vollversicherten (überwiegend Angestellte, Selbständige und Rentner) eine eher bescheidene Grösse darstellen.
Gruss
Czauderna

Zwangsfrist entfällt

GKVler, Mittwoch, 22.09.2010, 20:11 (vor 5176 Tagen) @ Joachim Röhl

Da knallten heute vormittag die Sektkorken nicht nur bei den Versicherungen

lass die mal nicht zu früh knallen - der Gesetzesentwurf ist heute nur vom Kabinett verabschiedet worden - es bleiben noch die Lesungen im Bundestag, ggf. im Bundesrat und ggf auch der Vermittlungsausschuss. Und wie das endgültige Gesetz dann aussieht, steht noch in den Sternen. Wenn man die Vergangenheit so betrachtet, wird das Gesetz wahrscheinlich anders aussehen als der Gesetzentwurf...

aber irgendwie müssen sich die ganzen Parteispenden ja auch auszahlen, nicht wahr?

Das geschieht merklich und unmerklich, wie bei der Rationierung von Medikamenten

von Rationierung weiß ich nichts - aber wenn du die "Zwangsrabatte" der Hersteller meinst, stehen ja schon die Vorständde der PKVen bei Herrn Rösler Schlange, um sich da einzuklinken

der Verweisung auf Generika

da find ich jetzt nix schlimmes dran - egal ob auf der Packung Aspirin oder ASS Ratiopharm draufsteht - in den Tabletten ist immer das gleich drinnen

dem erschwerten Zugang zu Fachärzten und Spezialisten

hier sind ja die Privaten mit ihren "Hausarzttarifen" schon wesentlich weiter als die Gesetzlichen - ja, ja, die Freuden der freien Vertragsgestaltung

der "Priorisierung" und Selektion bei unterschiedlichsten Patientengruppen und Behandlungsformen ..

was du damit meinst, weiß ich allerdings wirklich nicht....

schönen Abend noch!
Gruß
GKVler

Zwangsfrist entfällt

Kitty, Mittwoch, 22.09.2010, 21:02 (vor 5176 Tagen) @ Joachim Röhl

Die private Welt hingegen bietet auch nicht den Honig in Fässern, denn hier muß sehr wohl bedacht werden, daß man als Angestellter im Rentenalter keinen! Arbeitgeberzuschuss mehr erhält.

Richtig, nennt sich dann aber Beitragszuschuss, der auf Antrag von der RV gezahlt wird (§ 106 SGB VI).

Zwangsfrist entfällt

MissX, Freitag, 24.09.2010, 06:31 (vor 5175 Tagen) @ GKVler

@GKVler

... ich hatte eine ähnlche kommentierung des Beitrages vor. Die ich mir nun sparen kann.

Doch seine polemischen Phrasen erklärt Herr Röhl ungern genauer (oder kann er nicht so schnell seine Guru den Thorulf erreichen und ihn fragen, was er damit gemeint hat) weil er es auch nicht sachlich und nachvollziehbar kann.

"Priorisierung" und Selektion

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Freitag, 24.09.2010, 11:09 (vor 5175 Tagen) @ Kitty

"Priorisierung" und Selektion erfaßt im europäischen Maßstab heute schon die einheitliche Steuerung des Zugangs zur medizinischen Versorgung in staatlichen Gesundheitssystemen. Hintergrund ist die enorme Weiterentwicklung der modernen Medizin im Gegensatz zur unterentwickelten Bereitschaft der Versicherten kostendeckende Beiträge für eine hochwertige Versorgung aufzubringen. Dieser Konflikt endet meist in einem Kompromiß, der unter unseren historischen Erfahrungen besonders schmerzhaft werden wird aus zwei bekannten Gründen: Ärzte und Schwestern in Berlin, Pirna, Grafeneck, Hadamar und anderswo sterilsierten und töteten während des Nationalsozialismus im Rahmen der Euthanasiepolitik Menschen, die unheilbar krank waren und als "lebensunwert" eingestuft worden. Desweiteren setzte mit dem Anschluß der DDR in 1990 bundesweit ein drastischer Sozialabbau ein, der zu berechtigten Ängsten bei großen Teilen der deutschen Bevölkerung führte und nur ein Maß erreichen wird, auf dem sich europäische Nachbarn schon seit Jahren befinden. In Großbritanien oder Finnland kennt man landeseinheitlich aufgestellte Kriterienlisten für nicht akute Krankheitsbilder. Behandlungen und Therapien können auf Kosten der Solidargemeinschaft versagt werden, wenn z.B. eine Altergrenze erreicht ist. Gesetzlich festgelegte "Behandlungskostengrenzen" oder der Übergang zur rein palliativen Versorgung im "sozial verträglichen Ableben" bei Erreichen eines Punktwertes für schwer Krebserkrankte, sind im Hochland des Sozialen in Schweden gängig. Auch gibt es eine Kategorisierung in lebensbedrohliche akute Erkrankungen, Prävention und Rehabilitation, die Versorgung weniger_schwerer akuter oder chronischer Erkrankungen und die Versorgung aus allen anderen Gründen ..

Wir haben eine Diskussion vor uns und die Röslersche Reform kann nur nur ein erster kleiner Schritt sein. Während auch in der kostenüberbordenden PKV im preiswerten Tarifsegment sogenannte "Primärarztbehandlungen", begleitete Krankenbetreuung, Selbstbeteiligungen oder Leistungsstaffeln und Fallpauschalen schon seit Jahren eingezogen sind, aber gekoppelt mit umgangreichen Optionsrechten!! liegt in der GKV der Schlüssel in der konsequenten Umsetzung des §12 SGB V und der somit einziehenden WANZ-Medizin.

Ärzteblatt, Ärztezeitung, 3sat, wdr..

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