Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen (Sozialpolitik)

Elgin Fischbach @, Mittwoch, 13.04.2005, 11:32 (vor 7162 Tagen)

http://www.krankenkassen-direkt.de/news/news.pl?val=1113384419&news=108239698

Aus meiner Sicht ungeheuerlich - denn eine zeitlich verzögerte oder gar ausgefallene Behandlung kann nicht nur zu einer ggf. dauerhaften Verminderung der Lebensqualität der betroffenen Patienten, sondern auch zu kostenintensiven Folgeerkrankungen führen - zu Lasten der Beitragszahler gesetzlicher Krankenkassen!

Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Mittwoch, 13.04.2005, 17:54 (vor 7162 Tagen) @ Elgin Fischbach

Endlich mal ein Gericht, dass Schluss macht mit dem Märchen, Kassenversicherte erhielten unbeschränkt alles kostenlos und schnell, was ihr Herz begehrt. Wenn die Kassen nur begrenzte Mittel bezahlen (wollen), kann der Patient vom Arzt auch nur begrenzte Leistung erwarten.

Alle Details zur ärztlichen Honorierung und wie Ärzte kontinuierlich um ihr Honorar betrogen werden, unter
http://www.aerzteverein-me.de/pageID_414190.html
und
http://www.aerzteverein-me.de/pageID_483621.html

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Elgin Fischbach @, Donnerstag, 14.04.2005, 08:08 (vor 7162 Tagen) @ Jack

Von einem ausgewiesenen Vertreter der Ärztelobby ist ja schließlich nichts anderes zu erwarten ...

Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Freitag, 15.04.2005, 14:01 (vor 7160 Tagen) @ Elgin Fischbach

Ärzte haben keine Lobby.

Leider, darum stehen wir ja da wo wir stehen. Und der Mangel im GKV-System wird endlich auch vom Patienten begriffen.

Teilweise jedenfalls. Ausgenommen ausgewiesene Sozialisten, Kommunisten und Gewerkschafts-Aktivisten. Die glauben immer noch, der Arzt (der "Klassenfeind") habe gefälligst umsonst zu arbeiten und das finanzielle Risiko der eigenen Praxis zu tragen. Bis zum Bankrott.

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Elgin Fischbach @, Samstag, 16.04.2005, 12:31 (vor 7159 Tagen) @ Jack

Ärzte gehören keineswegs zu den schlecht verdienenden Berufsgruppen (bei Niedrigverdienern würde ich für Ihre Argumente Verständnis aufbringen!).

Hinzu kommt, dass in Deutschland mehr für die Gesundheit ausgegeben wird als in den meisten anderen Staaten - und trotzdem ist der Behandlungserfolg dagegen vergleichsweise nur mäßig.

Das Fazit kann doch nur lauten: Verbesserte Qualität oder niedrigere Preise (letztgenannte entsprechend der im Vergleich zu anderen Staaten mangelhaften Qualität insbesondere bei der Behandlung chronisch Kranker).

Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Samstag, 16.04.2005, 14:27 (vor 7159 Tagen) @ Elgin Fischbach

Ärzte gehören keineswegs zu den schlecht verdienenden Berufsgruppen

Ach. Interessant. Welche Ärzte meinen Sie ?
- Chefärzte ?
- Fachärzte ?
- Hausärzte ?
- Zahnärzte ?
- Fernsehserien-Ärzte ?

Und selbst wenn es einzelnen dieser Subgruppen noch gutgehen sollte, im Durchschnitt, was sagt das schon über die Streubreite. Wenn Sie einen Fuß in eiskaltes, den anderen in kochendheißes Wasser halten, haben Sie durchschnittlich eine angenehme Temperatur.

Gehören Lehrer, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Ingenieure auch zu den nicht schlecht verdienenden Berufsgruppen ? Immerhin wären sie von der Ausbildungskarriere in etwa Ärzten vergleichbar. Aber die haben auskömmliche und ihrer Position angemessene Einkommen, während bei den niedergelassenen Ärzten das Unternehmerrisiko individuell zu tragen ist, während die Einnahmen aus Kassenarzttätigkeit stetig sinken, die Kosten aber steigen, somit der Gewinn drastisch sinkt. So dass keine Kalkulation und Lebensplanung mehr funktioniert.

Jeder andere Beruf kann entweder die Preise an steigende Kosten anpassen oder nicht lohnende Arbeiten einstellen. Nur den Kassenärzten wird diese planwirtschaftliche Vergütung nach Gesamtvergütung, Budgets, Punkten, Quoten, Abstaffelungen, Regressen usw. aufgezwungen.

Das Qualitätsargument ist ein Totschlagsargument. Berechtigte Forderungen nach fairer Vergütung und fairen Geschäftsbedingungen wird angebliche mangelnde Qualität entgegengehalten. Warum ist denn die Planwirtschaft der Sozialistischen Länder kaputtgegangen? Weil sie leistungsfeindlich ist. Und das letzte verbliebene planwirtschaftliche System wird ebenfalls kaputtgehen: Das sozialistische System der gesetzlichen Krankenversicherung. Weil es leistungsfeindlich ist.

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Elgin Fischbach @, Samstag, 16.04.2005, 16:00 (vor 7159 Tagen) @ Jack

Zitat:
Zitat:
"Und das letzte verbliebene planwirtschaftliche System wird ebenfalls kaputtgehen: Das sozialistische System der gesetzlichen Krankenversicherung. Weil es leistungsfeindlich ist."

Dann bin ich "mal sehr gespannt darauf, wer dann künftig für die Gesundheitsversorgung der wirtschaftlich benachteiligten
Mitglieder unserer Gesellschaft aufkommt. Höchstwahrscheinlich gilt dann auch hier: "Weil Du arm bist, musst Du früher sterben".

Durch die reale Absenkung des Sozialhilfeniveaus und die darauf fußende Einführung des Arbeitslosengeldes II (entgegen der in den letzten Jahren gestiegenen allgemeinen Lebenshaltungskosten) werden wir bei den hiervon Betroffenen künftig verstärkt beispielsweise ernährungsbedingte Krankheiten vorfinden, weil sich dieser Personenkreis eine gesunde, ausgewogene Ernährung wirtschaftlich nicht mehr leisten kann. Die Wohlfahrtsverbände haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass die aktuellen Regelsätze dieser staatlichen Sozialleistungen um ca. 20 % - 30 % zu niedrig sind - was die Politik jedoch nicht beeindruckt.

So etwas zu befürworten, ist menschenverachtend!

Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Samstag, 16.04.2005, 16:57 (vor 7159 Tagen) @ Elgin Fischbach

Also ich bin der Letzte, der dafür ist, jemanden der arm ist früher sterben zu lassen.

Aber spinnen wir mal Ihren Faden weiter:

Wenn denn wirklich die Absenkung des Sozialhilfeniveaus zu einem Anstieg der ernährungsbedingten Krankheiten führen würde, müßten die Ärzte nach dem derzeitigen System mehr behandeln und verordnen, ohne dass sie diese Mehrarbeit vergütet bekämen. Wenn Sie das gerecht und nicht menschenverachtend finden, kann ich Ihnen nicht helfen.

Aber vielleicht führt ja das Absenken des Sozialhilfeniveaus auch zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen: weniger Rauchen, mehr zu Fuß gehen, mehr Bewegung. Das ist partiell zumindest nicht ausgeschlossen, wenn auch - ich gebe es zu - etwas sarkastisch formuliert.

An anderer Stelle dieses Forums haben Sie bereits Ihre Beratungsresistenz hinsichtlich demographischer Entwicklungen gezeigt. Trotzdem komme ich noch mal darauf zurück. Wenn heute zwei Arbeitnehmer einen Rentner alimentieren und dessen Krankenversicherungsbeiträge massiv subventionieren (Rentner nehmen deutlich mehr Leistungen in Anspruch, zahlen aber geringere Krankenversicherungsbeiträge), in einigen Jahrten aber ein Erwerbstätiger einen Rentner alimentieren soll, die Beiträge zur Krankenversicherung aber nicht steigen sollen, muss es doch zu ganz massiven Leistungseinschränkungen kommen. Geht gar nicht anders. Das hat schon vor Jahren angefangen und wird sich lawinenartig beschleunigen. Das System der GKV ist kaputt, nur gemerkt haben es noch nicht alle.

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Elgin Fischbach @, Samstag, 16.04.2005, 17:32 (vor 7159 Tagen) @ Jack

Zitat:
"Aber vielleicht führt ja das Absenken des Sozialhilfeniveaus auch zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen: weniger Rauchen, mehr zu Fuß gehen, mehr Bewegung. Das ist partiell zumindest nicht ausgeschlossen, wenn auch - ich gebe es zu - etwas sarkastisch formuliert."

Die Betroffenen werden sich wohl noch nicht "mal mehr ein Fahrrad wirtschaftlich leisten können, um zumindest kürzere Strecken auf diese Art und Weise zurücklegen zu können. Auch regelmäßiger Sport kostet - zumindest in Sportvereinen - Geld (Mitgliedsbeitrag), welches von keinem Sozialamt extra bezahlt wird. Auch Schwimmbadbesuche sind nicht kostenlos zu haben ... diese Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen.


Zitat:
"An anderer Stelle dieses Forums haben Sie bereits Ihre Beratungsresistenz hinsichtlich demographischer Entwicklungen gezeigt. Trotzdem komme ich noch mal darauf zurück. Wenn heute zwei Arbeitnehmer einen Rentner alimentieren und dessen Krankenversicherungsbeiträge massiv subventionieren (Rentner nehmen deutlich mehr Leistungen in Anspruch, zahlen aber geringere Krankenversicherungsbeiträge), in einigen Jahrten aber ein Erwerbstätiger einen Rentner alimentieren soll, die Beiträge zur Krankenversicherung aber nicht steigen sollen, muss es doch zu ganz massiven Leistungseinschränkungen kommen. Geht gar nicht anders. Das hat schon vor Jahren angefangen und wird sich lawinenartig beschleunigen. Das System der GKV ist kaputt, nur gemerkt haben es noch nicht alle."

Neben Rentnern, deren Einkommen wirklich eher am unteren Rand liegt, gibt es auch solche, die "anständige" Vermögenswerte besitzen. Anders ist beispielsweise die zunehmende Entstehung von Luxus-Seniorenwohnanlagen, deren Wohnmieten und Gesundheitsdienstleistungen selbst für viele Berufstätige unbezahlbar wären, nicht zu erklären. Deshalb gehören aus meiner Sicht auch regelmäßige Vermögenseinkommen (Zinsen, Mieteinnahmen etc.) künftig in die Bemessungsgrundlage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung - wie es die Befürworter einer Bürgerversicherung zumindest teilweise fordern (leider nicht konsequent genug).

Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Samstag, 16.04.2005, 18:49 (vor 7159 Tagen) @ Elgin Fischbach

Bewegung ist keineswegs an Sportvereine gebunden. Durch Rauchen einstellen wird Geld gespart, das in Schwimmbadbesuche inverstiert werden könnte. Je niedriger der soziale Status, desto höher ist bekanntermaßen der Anteil der Raucher.

Aber wir kommen vom Thema ab. Das lautete: Kann man einen Freiberufler zu unbezahlter Arbeit zwingen ? Oder kann man einen Deutschen grundgesetzkonform zu unbezahlter Zwangsarbeit verurteilen ? Ich meine: nein. Auch keinen Kassenarzt.

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Elgin Fischbach @, Samstag, 16.04.2005, 21:13 (vor 7159 Tagen) @ Jack

Zitat:
"Bewegung ist keineswegs an Sportvereine gebunden."

Für Singles schon, denn alleine Sport zu treiben ist langweilig.


Zitat:
"Je niedriger der soziale Status, desto höher ist bekanntermaßen der Anteil der Raucher."

Dann frage ich mich, weshalb ich viele Leute kenne, die mit wenig Geld auskommen müssen und (trotzdem) Nichtraucher sind. Aus welcher Statistik stammt Deine Aussage?


Eine Antwort darauf, wie wirtschaftlich Benachteiligte auch künftig eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung erhalten können, scheuen naturgemäß besonders die besser Verdienenden - denn sie müssten ja zu Gunsten des ärmeren Teils der Gesellschaft auf manche eigenen "Pfründe" verzichten, was aus ihrer Sicht unpopulär ist. Der diesjährige Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat deutlich gezeigt, dass die Schere zwischen besser Verdienenden (Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen) und dem Rest der Gesellschaft (Einkommen aus unselbstständiger Arbeit) immer weiter auseinanderdriftet. Aber das scheint Dich nicht allzu sehr zu interessieren, obwohl die gesellschaftlichen Auswirkungen gravierend sind (wie an unserem hiesigen Themenbeispiel Gesundheit unschwer abzulesen ist).


Gruß
Elgin

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Sonntag, 17.04.2005, 12:02 (vor 7158 Tagen) @ Elgin Fischbach

Sehr geehrte Frau Fischbach,

ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben.

Aber wir kommen vom Thema ab. Das lautete: Kann man einen Freiberufler zu unbezahlter Arbeit zwingen ? Ich meine: nein. Auch keinen Kassenarzt.

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

bosselt, Montag, 18.04.2005, 09:55 (vor 7158 Tagen) @ Jack

Sehr geehrter Herr Kapiertnix
(ich nehme mal an, Jack ist Ihr Vorname),
ich bin auch der Meinung, dass kein freier Mensch zu irgendetwas gezwungen werden soll. Wenn ein Arzt sich nicht mehr an sein Berufsethos (anderen Menschen helfen zu müssen, unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit) gebunden fühlt, dann sollte er nicht mehr als Kassenarzt arbeiten, sondern nur noch Privatpatienten behandeln.
Auf die Gefahr hin, dass die Kassenpatienten dann nur noch von Ärzten behandelt werden, die ihre finanziellen Interessen aus den Augen verloren haben, nehme ich an, dass diese mit Herz und Verstand weiter arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Bosselt

Re: Frage des Geldes: Arzt darf Kassenpatient ablehnen

Jack @, Montag, 18.04.2005, 12:55 (vor 7157 Tagen) @ bosselt

Sehr geehrter Herr Bosselt,

es ist leicht, von Berufsethos zu reden. Das Ethos hat uns jahrzehntelang dahin geführt, wo wir jetzt stehen: Zu ständig sinkenden Honoraren, wegbrechender Lebensplanung. Sie haben offenbar noch nicht die Probleme der ärztlichen Vergütung im Kassenarztsystem verstanden. Lange haben die Ärzte Überschüsse aus der Behandlung von Privatpatienten in das defizitäre Kassengeschäft gesteckt. Das stößt jetzt an seine Grenzen.

Wenn Sie sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen wollen, erhalten Sie hier einen umfassenden Überblick:
http://www.aerzteverein-me.de/pageID_414190.html
und
http://www.aerzteverein-me.de/pageID_483621.html

Übrigens: Der Erfinder der Homöopathie, Hahnemann, hat nur gegen Vorkasse behandelt und dies auch seinen Schülern dringend empfohlen.

Und noch etwas. Ich gebe Ihnen einen Link zum Hippokratischen Eid. Zwischen griechischer und englischer Fassung steht die deutsche. Relevant sind die beiden letzten Absätze des der englichen Fassung folgenden deutschen Kommentars: Das dort beschriebene Gleichgewicht gibt es heute bei den Kassenpatienten nicht mehr.
http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerhip.htm

Aegroti salus suprema lex

Bosselt, Montag, 18.04.2005, 13:55 (vor 7157 Tagen) @ Jack

"Das Wohl des Kranken ist höchstes Gesetz" - nicht die Brieftasche des Arztes!

Natürlich findet jeder, dem irgendein Eid, ein "Berufsethos" oder sonst etwas nicht gefällt, ein Hintertürchen, wie man die Begríffe "reformiert" oder "zeitnah anpaßt". Heute steht bei vielen Menschen (Managern, Politikern aber auch Handwerkern, Gastwirten usw.) das eigene Wohl, ausgedrückt in Euro und Cent, im Vordergrund und nicht das Wohl anderer (Kranker, Bedürftiger, arbeitslos gewordener usw.). Meiner Meinung nach wird eine solche Einstellung aber sehr problematisch und gefährlich bei Ärzten. Wenn es Ihrer Meinung nach richtig ist, wenn ein Arzt einen Kranken abweist, weil er (gezwungenermaßen infolge zu geringen Einkommens) Kassenpatient ist, dann sollte man zumindest mal Fragen, warum dieser Mediziner nicht Schlagersänger, Fußballspieler oder Rennfahrer geworden ist. Dann könnte er viel mehr Geld auf bestimmt einfachere Weise (ohne jahrelanges Studium, Sonntags- und Nachtdienst und andere Belastungen) verdienen und brauchte kein schlechtes Gewissen wegen des "sogenannten Berufsethos" zu haben.

Re: Aegroti salus suprema lex

Tom, Montag, 18.04.2005, 16:12 (vor 7157 Tagen) @ Bosselt

Ich finde diese Diskussion sehr spannend. Es betrifft ein heikles Thema - analysiert und diskutiert aus drei verschiedenen Richtungen. Aber sehen wir die Sache nüchtern. Natürlich hat Jack Recht, wenn sich Ärzte über die mangelnde Bezahlung seitens der Krankenkassen beschweren. Sie sind Unternehmer und müssen unternehmerisch Denken und Handeln. Aber mal im Ernst: Wir sprechen hier sicherlich nicht von der breiten Masse an Ärzten, sondern von vereinzelten Sonderfällen. Damit will ich die Problematik nicht verschönern, dass Ärzte Einkommenseinbußen hinnehmen oder sogar Insolvenz anmelden müssen. Aber solange die breite Masse der "Götter in Weiß" (entschuldigt den Ausdruck) ihre BMW´s und Audi´s vor ihrer Praxis parken, kann es denen doch bestimmt nicht so schlecht gehen.
Werter Jack, ihre Ausführungen sind sicherlich richtig und nicht anfechbar, aber meiner Meinung nach betrifft es hier Einzelfälle (im Verhältnis zu breiten Masse gesehen). Aber würde ich ein Vertreter Ihrer Berufsgruppe sein, so würde ich vermutlich dieselbe Einstellung haben wie Sie, wenn die KV mein Einkommen kürzt.

Aber erzählen Sie das mal den behandlungsbedürftigen Kranken. Diese Personen interessiert das überhaupt nicht. Die wollen behandelt und wieder gesund werden.

Gruß
Tom

Re: Aegroti salus suprema lex

Jack @, Montag, 18.04.2005, 17:42 (vor 7157 Tagen) @ Bosselt

Wenn der Arzt ein Budget für 1000 Patienten im Quartal bekommt, und jeder Patient bringt 50 Euro, sind das 50.000 Euro im Quartal. Umsatz, nicht Gewinn. Der Kostenanteil liege bei 25 Euro pro Patient, davon 5 Euro direkt zuordnungsfähig, 20 Euro fixe Praxiskosten. Es errechnet sich ein Gewinn von 25.000 Euro, pro Monat also etwa 8.330 Euro. Davon gehen ab Sozialversicherung (voll zu zahlen, da kein Arbeitgeber was zusteuert), Steuern, usw. . Der Rest ist dann 1. Lohn für verrichtete Arbeit (55-60 Wochenstunden) und 2. Unternehmergewinn für das Risiko, eine Praxis gegründet und dafür Kredite und sonstige Verpflichtungen eingegangen zu sein. Was am Ende rauskommt, ist pro Stunde nicht viel mehr, als ein beamteter Lehrer verdient, Beihilfe und kostenlose Altersversorgung eingerechnet. Das war vor 10 Jahren.

Nun sinkt der Punktwert seit über 10 Jahren, die Kosten aber steigen. Man bekommt nur noch 40 Euro pro Patient, die Kosten sind auf 28 Euro gestiegen, davon 6 Euro direkt pro Patient entstehend. Umsatz 40.000 Euro, Gewinn 12.000 Euro. Nach Abzug von Sozialversicherung und Steuern bleibt noch etwas, was weder einem angemessenen Stundenlohn noch dem notwendigen Unternehmergewinn entspricht.

Nun kommt das Abweisen eines Patienten ins Spiel: Ich bekomme maximal 1000 Kassenpatienten bezahlt und erlöse keinen angemessenen Gewinn mehr aus der Tätigkeit als Kassenarzt. Würde ich nun 200 Patienten mehr behandeln, und die bringen Kosten von 6 Euro pro Patient mit, habe ich zusätzliche Kosten von 1.200 Euro. Die Behandlung über das Budget hinaus schmälert also meinen ohnehin kargen Gewinn noch mal um 10 %. Der Gewinn sinkt nämlich von 12.000 Euro um diese 1.200 Euro auf 10.800 Euro.

Viele Praxen leben heute nur noch von Privatpatienten, während Kassenpatienten im Wesentlichen nur noch die Kosten decken, teils noch nicht mal mehr das. Und durch die neue Gebührenordnung ab 1.4. und die Segnungen des Gesetzgebers durch das GMG wie IV-Verträge geht es mit dem Umsatz absehbar noch rascher bergab als in den letzten Jahren. Ambulante Operationen werden abgebaut, weil es nicht mehr lohnt. Wartezeiten steigen. Patienten werden notgedrungen abgewiesen.

Wen das beunruhigt, kann sich weiter informieren.

Wer das nicht sehen will ("Diese Personen interessiert das überhaupt nicht. Die wollen behandelt und wieder gesund werden."), steckt den Kopf in den Sand.

In Mecklenburg-Vorpommern ist es schon ganz wüst. Da sind schon jetzt 150 Hausarztpraxen unbesetzt, und kein Arzt will unter diesen Bedingungen die Praxen übernehmen. Weitere 300 Praxen stehen wegen des Alters der Inhaber vor der Schließung. Das droht auch hier in wenigen Jahren. Hautärzte Mangelware, Fachärzte nur noch an Kliniken, monatelange Wartezeiten.

Wer nix weiß, braucht sich auch keine Sorgen machen. Motto: "Den Arzt und alles was ich will, zahlt die Krankenkasse. Und der Strom kommt aus der Steckdose. Einfach so. Wie er da hineinkommt, interessiert mich nicht."

Re: Aegroti salus suprema lex

A. Bongartz @, Montag, 03.03.2008, 13:58 (vor 6107 Tagen) @ Jack

Stultorum es, quidlibet dicere

Re: Aegroti salus suprema lex

Fischer @, Freitag, 11.07.2008, 00:20 (vor 5978 Tagen) @ Bosselt

Den Spruch im Titel habe ich von der Eingangstür zur Männerabteilung der Hautklinik Erlangen entnommen und er steht jetzt über der Ausgangstür meiner Praxis, Und ich kann Dir nur sagen, für wen auch immer du arbeitest, Du hast überhaupt nichts kapiert.

Wünsche Dir weitere ruhige Tage in der Gefriertruhe bis zum leidvollen Erwachen

Dein Hans

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