Neues Buch: Ausverkauf des Gesundheitswesens (Sozialpolitik)
Quelle: Deutschlandradio
Renate Hartwig: "Der verkaufte Patient", Pattloch Verlag, 283 Seiten
Mit Vehemenz protestiert Renate Hartwig in ihrem Buch "Der verkaufte Patient" gegen die Gesundheitsreform. Hartwigs Vorwurf: Der Umbau des Gesundheitswesens schadet den Patienten und nutzt nur der Pharmaindustrie.
Wenn sich die engagierte Publizistin Renate Hartwig etwas vorgenommen hat, dann lässt sie nicht locker. Vor zwölf Jahren begann ihr öffentlicher Kampf gegen Missstände in unserer Gesellschaft mit ihren Buch "Scientology - Ich klage an". Jetzt hat sie die Gesundheitsreform ins Visier genommen.
Seit sie selber vor zwei Jahren bei einem Arztbesuch erfuhr, unter welchen Kostendruck Mediziner ihre Patienten versorgen müssen, hat sie die Verflechtungen zwischen Politik, Krankenkassen und Gesundheitsdienstleistern bis ins letzte Detail recherchiert und Überraschendes zu Tage gebracht. In ihrem neuen Buch "Der verkaufte Patient" wehrt sie sich vehement und mit deutlichen Worten gegen den geplanten Umbau im Gesundheitswesen, gegen den - wie sie es nennt - Ausverkauf der Menschlichkeit zugunsten eine reinen Profitstrebens.
Die Politik, so ihr Vorwurf, verkauft das deutsche Gesundheitssystem an profitorientierte Kapitalgesellschaften, die nicht mehr den Menschen, sondern nur das Geld im Fokus haben. Ungeniert fragt sie daher, wem nutzt was? Warum haben bestimmte Personen lukrative Beraterverträge, wer wird von Pharmaunternehmen gesponsert? Wohin fließt das Geld, das die Versicherten Monat für Monat an die Krankenkassen zahlen?
Wer zum Beispiel bei der DAK versichert ist, erfährt, dass die netten Gesundheitsberater, die ihn vielleicht neuerdings anrufen, Angestellte einer amerikanischen Firma sind. Sie haben den Auftrag, möglichst viele der Versicherten davon abhalten zum Arzt zu gehen, um die Behandlungskosten zu senken. Wer die elektronische Patientenakte bislang für sinnvoll hielt, weil sie die Krankengeschichte auf einen Blick verspricht, dem dürfte bei zahlreichen Zugriffsmöglichkeiten auf die sensiblen Daten mulmig werden. Denn außer Arzt und Patient könnten in Zukunft auch andere Personen wie etwa Krankenkassenmitarbeiten in die Untersuchungsergebnisse einsehen, was laut führender IT-Experten die Möglichkeit des Missbrauchs enorm steigert.
Das Buch ist ein klarer Aufruf zum Prostest, in dem sich Patienten und Ärzte solidarisieren sollen. Denn beide Gruppen geht es an Kragen, schreibt die Autorin. Der Patient wird minimal versorgt und finanziell maximal ausgenommen, die Ärzte werden mit komplizierten Abrechnungssystemen und verschiedenen Qualitäts- und Zertifizierungsmaßnahen unter Druck gesetzt. Es geht um Geld und um Macht. Die Folge: Das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt stehe kurz vor dem Ausverkauf, so die wiederholte Warnung der Autorin.
Renate Hartwig will mit ihrem Buch mehr als nur aufklären. Sie will etwas bewegen, das ist das Ziel ihrer Kampagne. Deshalb erklärt sie nicht nur, was alles im Gesundheitssystem schief läuft. Sie sagt auch gleich wer Schuld hat, was sie persönlich davon hält und wie die Konsequenzen aussehen sollten. Das tut sie zum Teil mit gepfefferte Sätze und heftigen Parolen. Ihre persönliche Empörung ist deutlich zu spüren, aber daraus macht sie auch kein Geheimnis.
Die Bayrische Landesgesundheitsministerin fordert sie auf den Hut zu nehmen, den Gesundheitsökonom der SPD Karl Lauterbach nennt sie Ullas Harry Potter und über Ulla Schmidt selbst schreibt sie, sie missachte das Grundgesetz.
Hier traut sich jemand kräftig mit den Faust auf den Tisch zu hauen.
Das ist gut, auch wenn die Zahl ihrer Gegner nicht klein ist. Doch das stört Renate Hartwig nicht, die eine sehr klare Vorstellung davon hat, wie Gerechtigkeit in einem Sozialstaat aussehen sollte. Schließlich zahlen fast 90 Prozent der Bundesbürger in die gesetzlichen Krankenkassen ein, lautet ihr Argument, da sollte man doch wissen dürfen, was genau mit dem Geld gemacht wird.
Nach der Lektüre versteht der Laie auf jeden Fall das komplizierte Geflecht zwischen Krankenkassen, Politik, kassenärztlicher Vereinigung und Wirtschaft.
Ein spannendes und zugleich unbequemes Buch, mit dessen Inhalt man sich entweder solidarisiert oder dass man komplett ablehnt. Der Tonfall ist Geschmackssache. Doch wer laut trommelt, wird eben auch gehört.
Rezensiert von Susanne Nessler
Renate Hartwig: Der verkaufte Patient. Wie Ärzte und Patienten von der Gesundheitsreform betrogen werden
Pattloch Verlag
283 Seiten, 16,95 Euro
Quelle: Deutschlandradio
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/831641/
Re: Neues Buch: Ausverkauf des Gesundheitswesens
Habe dieses Buch bereits gelesen. Ich stimme der Kritik von Renate Hartwig voll und ganz zu!
Gruß
Elgin
Re: Neues Buch: Ausverkauf des Gesundheitswesens
...Wer die elektronische Patientenakte bislang für sinnvoll hielt, weil sie die Krankengeschichte auf einen Blick verspricht, dem dürfte bei zahlreichen Zugriffsmöglichkeiten auf die sensiblen Daten mulmig werden....
Viele, wenn nicht sogar alle von uns haben Post bekommen - ganz lapidar hat der "big brother" uns die Steueridentifikationsnummer mitgeteilt.
Die Steuer-ID wird künftig nicht nur bei Finanzämtern, sondern auch bei anderen Behörden gespeichert und verwendet werden. Anders als die Bundesregierung behauptet, dient die Nummer deshalb nicht nur der Verbesserung der Steuerehrlichkeit.
Noch kann man sich wehren !!
http://www.humanistische-union.de/ - die Humanistische Union führt ein Musterklageverfahren gegen die Steueridentifikationsnummer und stellt einen Musterwiderspruch zur Verfügung.
Informiert Euch über diese PKZ - und handelt. Bevor es Pflicht wird die Nummer auf den linken Unterarm tätowiert zu tragen ! Denn dann ist es zu spät !
Realität 2009
Die warnenden Stimmen der Mediziner http://www.busch-telefon.de/2007/scholz_200807.pdf oder http://www.nachdenkseiten.de/?p=2965 und die vollzogene Realtät seit zwei Wochen in deutschen Arztpraxen http://www.busch-telefon.de/artikel/1231281547t85.pdf
Re: Realität 2009
@röhl ... sagen sie mal ehrlich was sollen wir aus ihren links hier mitnehmen? 3 artikel die mehr oder weniger objektiv sind und nur einen bruchteil der situation im gesundheitswesen der bundesrepublik widerspiegeln.
ein problem ist jedoch sehr gut nachvollziehbar: sobal im gesellschaftspolitisch wichtigem system der krankenversicherung und krankenbehandlung die partner sei es leistungserbringer oder versicherer immer mehr in richtung von aktiengesellschaften entwickeln und man immer mehrund mehr gewinne an die aktionäre ausschütten will, ist das system dem ende geweiht.
gerade die großen klinikketten sparen an den mitarbeitern und den patienten (egal ob gesetzlich oder privat versichert) und die großen privatversicherer sind mittlerweile weg vom versicherungsverein und alle AG´s und da steht die gewinnerzielung und -vermehrung im vordergrund.
milliarden von versichertengeldern (GKV+PKV) verschwinden auf den konten von klein- und großaktionären und hedgefonds.
das ist die realität 2009 in der freiheitlichen bundesrepublik deutschland
Re: Realität 2009
Schön Gast, daß Du das alles gelesen hast. Es ging bei dieser Momentaufnahme mal aus Sicht der Leistungserbringer um nicht mehr und auch nicht weniger.
Fragen? e-mail
Re: Realität 2009
naja dann spiegelt dies aber nur einen sehr subjektiven blick einer kleinen menge von leistungserbringern auf die realität 2009 wieder.
im system der krankenversicherung steckt ab 2009 ca. 3 milliarden euro mehr aus dem topf der gkv´en.
und wenn ich lese, dass angeblich fachärzte unter dem niveau eines damenfriseurs bezahlt werden, frag ich mich, ob heir nicht ein bisschen realitätsverlust vorliegt ... es sei den man vergleicht den kleinen urologen mit dem damenfriseur udo walz, dann könnte es stimmen ...!?
polemik 2009 wäre eine bessere überschrift gewesen, anstelle von realität 2009!