Explosion der Sozialkassen (Sozialpolitik)

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Freitag, 02.10.2009, 10:15 (vor 5541 Tagen)

Da soll keiner sagen die Sozialdemokraten wären kurzsichtig, als Berliner habe ich aufmerksam die Thesen des Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und ebenso die strittigen Auffassungen vom letzten Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) verfolgt. Hier sprechen Leute mit langjähriger Sachkenntnis vom Stand der Dinge und keiner soll behaupten, daß nur die FDP in Fragen der künftigen Sozialverteilung die richtigen Fragen stellt.
http://www.sueddeutsche.de/finanzen/992/482448/text/
http://www.morgenpost.de/berlin/article1182762/Tuerken-empoeren-sich-ueber-Sarrazins-Aeusserung.html

Re: Explosion der Sozialkassen

Der schwarz-gelb-rot-braune Teufel, Donnerstag, 08.10.2009, 17:41 (vor 5535 Tagen) @ Joachim Röhl

Wenn es um die "künftige Sozialverteilung" geht, sollten wir dann nicht einfach auf die "Sachkenntnis" der jüngeren deutschen Geschichte zurückgreifen?

Wie schrieb der Schweizer Emil Abderhalden, von 1911 bis 1945 Professor in Halle, bereits 1921 in der Zeitschrift "Ethik" als Begründung für die Sterilisisation und die Tötung "lebensunwerten Lebens" im Rahmen der Euthanasie ab 1933:

"Solange der Staat ungeheure Summen ausgeben muss, um lebensuntüchtige Individuen mühsam am Leben zu erhalten, solange er Millionen für geistig Minderwertige auswerfen, gewaltige Kranken- und vor allem Irrenhäuser unterhalten muß, bleibt für die körperlich und geistig Gesunden immer nur ein Bruchteil jener Summen übrig, die zur Verfügung ständen, müßte nicht eine so gewaltige Zahl von Opfern mangelhafter Fürsorge für die Gesunderhaltung verpflegt werden."

Da soll keiner sagen, die Deutschen wären weitsichtig und würden sich sozial, menschlich und kulturell immer vorwärts bewegen. Derzeit geht es wohl sozial, menschlich und kulturell eher rückwärts in die Vergangenheit.

Re: Explosion der Sozialkassen

Charlie Brown, Donnerstag, 08.10.2009, 22:57 (vor 5535 Tagen) @ Der schwarz-gelb-rot-braune Teufel


Das ist jetzt im wahrsten Sinne des Wortes ein Totschlagargument.

Wenn also gar nichts mehr hilft, wird halt die Nazikeule rausgeholt. Ich finde das zum k.....

Es ist nunmal Tatsache, das das Gesundheitssystem reformiert werden muss und das Geld nicht reicht. Auch wenn Sozialromatiker das immer noch nicht wahrhaben wollen.

Was hat Euthanasie z.B. mit der Streichung von Zahnersatz aus dem GKV-Katalog zu tun? Genau - nichts!

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Der schwarz-gelb-rot-braune Teufel, Freitag, 09.10.2009, 20:35 (vor 5534 Tagen) @ Charlie Brown

Wo bitteschön steht da etwas von "Nazis"? - 1921 regierten in Deutschland Reichskanzler der bürgerlichen Zentrumspartei und doch keine "Nazis".

Kommen wir wieder zurück in die Gegenwart: Wenn in den Töpfen der gesetzlichen Krankenkassen kein Geld mehr ist, dann stellt sich doch die Frage, wer hat die denn ausgeplündert?

Schließlich habe ich in den letzten 15 Jahren außer den jährlichen Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt nur einmal ein keramische Füllung bekommen und dafür auch noch fast 200 Euro draufzahlen müssen, obwohl ich Jahr für Jahr Tausende von Euros in die Krankenkasse eingezahlt habe und einzahle. Und die ein bis zwei Packungen Aspirin, die ich im Jahr brauche, muss ich sowieso immer selber zahlen. Deshalb kaufe ich die immer in der Tschechei. Da kostet die Packung nur die Hälfte.

Herr Ackermann, Herr Zumwinkel, Herr Henkel, die Gebrüder Albrecht und wie die Leistungsträger alle heißen, die tagsüber Millionen verdienen, werden doch wohl kaum nachts in die Sozialkassen einbrechen und dort die Tresore ausrauben.

Deshalb habe ich so meine Verdachtsmomente. Wer als Kassiererin in Deutschland Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlägt, der kommt dafür schon eher in Frage? Wer das ganze Monat lang arbeitet und dabei brutto 5 Euro in der Stunde verdient, der zahlt schließlich fast nichts in die gesetzliche Krankenkasse ein. Was ist mit den vielen Arbeitslosen? Liegt da nicht die Vermutung nahe, dass diese Leute nachts in die Krankenkassen einbrechen und sich das Geld, das sie zum Leben brauchen, aus den Tresoren der Krankenkassen holen?

Vielleicht sind es auch die Frauen der Muselmänner, die die Krankenkassen plündern. Wer im Hochsommer ein Kopftuch trägt, der hat darunter mit Sicherheit etwas zu verbergen oder etwa nicht? Es könnten aber auch die altbekannten Schuldigen sein, z. B. die Juden oder die Polen. Letztere haben die deutschen Krankenkassen bekanntlich schon einmal überfallen und bis auf den letzten Groschen ausgeraubt.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Charlie Brown, Freitag, 09.10.2009, 23:42 (vor 5534 Tagen) @ Der schwarz-gelb-rot-braune Teufel

Wo bitteschön steht da etwas von "Nazis"? - 1921 regierten in Deutschland Reichskanzler der bürgerlichen Zentrumspartei und doch keine "Nazis".

Gratulation - sehr spitzfindig. Ändert aber an der Sache nichts. Sie versuchen, mit historisch bedingten Schuldgefühlen zu arbeiten. Das finde ich abstoßend und unsachlich.

Schließlich habe ich in den letzten 15 Jahren außer den jährlichen Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt nur einmal ein keramische Füllung bekommen und dafür auch noch fast 200 Euro draufzahlen müssen, obwohl ich Jahr für Jahr Tausende von Euros in die Krankenkasse eingezahlt habe und einzahle.

Sie unterliegen einem Denkfehler. Auch bei der GKV handelt es sich um eine Krankenversicherung. Also um die Absicherung eines Risikos. Die Leistung des Versicherers ist die Risikotragung, mit anderen Worten: die Gewissheit, im Falle der Krankheit nicht durch die Behandlungskosten überfordert zu werden.

Man zahlt nicht in eine Risikoversicherung ein - schließlich ist es ja keine Bank. Dort könnte man das eingezahlte Kapital wieder abheben, aber wenn es hart auf hart kommt, reicht es nicht aus. Deshalb die Versicherungslösung. Also vergessen Sie den Begriff der Einzahlung wieder und seien Sie froh, dass sich ihr Krankheitsrisiko lediglich in einer Keramikfüllung realisiert hat. Der Versicherer hat Ihnen in der Zeit ein viel höheres Risiko abgenommen (und tut es noch heute).

Herr Ackermann, Herr Zumwinkel, Herr Henkel, die Gebrüder Albrecht und wie die Leistungsträger alle heißen, die tagsüber Millionen verdienen, werden doch wohl kaum nachts in die Sozialkassen einbrechen und dort die Tresore ausrauben...*blablabla*

Mir kommen die Tränen... Nochmal - für Sozialromantiker:
Die GKV ist umlagefinaziert. Höhere Kosten für die Medizin bei weniger Beiträgen durch die Versicherten bedeutet Beitragserhöhung und / oder Leistungskürzung. Das ist doch logisch und verständlich - wenn man es denn verstehen will.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Samstag, 10.10.2009, 01:25 (vor 5534 Tagen) @ Charlie Brown

Bevor der Administratoir noch den großen Besen zum Auskehren nehmen muß oder irgendwann ein von außen anonym Mitlesender noch drauf kommt gleich dem Zentralrat der Juden gestern http://magazine.web.de/de/themen/nachrichten/deutschland/9085584-Sarrazin-in-geistiger-Reihe-mit-Hitler.html bei Herrn S. Volksverhetzung nach §130 SGB zu finden, schlage ich vor zum Thema zurück zu kehren. Die sozialen Probleme in Deutschland sind nicht entstanden, weil Herr S. sie fokussierte oder gerade eine Wirtschaftskrise galoppiert, sondern einfach weil die Sozialpolitik in vielen Jahrzehnten bei den Themen gesetzlicher Renten- und auch Krankenversicherung versagt hat. Herr S. dient somit lediglich als nützlicher Blitzableiter gleich den Tag für Tag medial laufenden Trommelfeuern gegen die Vergangenheit des 1989 untergegangegenen zweiten deutschen Staates. Selbstzerfleischung und Volksverdummung hatten aber schon das Jahr 1945 prächtig überlebt. Die Geschichte lehrt, daß man die Bevölkerung eine ganze Weile hinters Licht führen kann, aber eben nicht ewig. Versuchen wir also weiterhin für sachliche Aufklärung zu sorgen.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Andreas, Samstag, 10.10.2009, 11:19 (vor 5533 Tagen) @ Joachim Röhl

Sehr geehrter Herr Röhl,

wenn ich immer höre, dass die Sozialkassen leer sind, dann frage ich immer sofort, was mit den vielen Millionen und Milliarden, die Jahr für Jahr in diese Sozialkassen eingezahlt werden, eigentlich gemacht wird und wo das was versickert?

Mein Vater noch vor wenigen Jahren nicht einmal 10 Prozent in die BKK eingezahlt und da waren 4 Leute versichert. Ich zahle heute 14,9 Prozent plus Sonderbeitrag und meine Freundin zahlt ebenfalls 14,9 Prozent.

Dann kommt immer die Antwort, ja die Deutschen werden immer älter und die Medizin wird immer besser und dieses ganze blablabla.

Ein Cousin von mir arbeitet seit einigen Jahren als Anlagenmonteur in der Schweiz und verdient dort brutto etwa so viel wie ich als Facharbeiter in Deutschland. Nur hat der netto fast 500 Euro im Monat mehr im Geldbeutel. Das macht im Jahr rund 6.000 Euro.

Wie machen die das in der Schweiz? Gibts in der Schweiz keine alten Menschen? Sind die Ärzte und Medikamente dort schlechter?

Richtig ist, wenn man im Laden dort was kauft, dann sind manche Sachen etwas teurer, aber nicht so teuer, das es im Monat 500 Euro ausmacht und im ganzen Jahr 6000 Euro.

Wenn ich meine Freundin dazu überreden könnte, wäre auch ich schon längst abgehaut aus Deutschland. Hier wirst du als Facharbeiter nämlich nach Strich und Faden nur fur dumm verkauft. Mein Chef verdient im monat fünfmal so viel wie ich, fährt einen X5 als Dienstwagen und im Sommer immer ein neues Motorrad, zahlt aber weniger Krankenkassenbeitrag als ich. Woher ich das weiß? Raten Sie mal, in welcher Abteilung meine Freundin arbeitet.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Samstag, 10.10.2009, 15:16 (vor 5533 Tagen) @ Andreas

Noch mehr Fragen kommen einem auf, wenn man in der Familie jemanden hat, der beispielsweise ins Pflegeheim geht. Horrende 2500€ und mehr kostet so ein Platz in Pflegestufe III, knapp 1500€ zahlt die Pflegeversicherung und den Rest trägt der Versicherte bzw. die Gemeinschaft, also wir alle. Ein sehr einträgliches Geschäft, vor allem wenn ich die minimalen Gehälter der Pflegefachkräfte betrachte. Deutschland hat ein übersteigertes Kostenniveau und nur wenn man über der Schallmauer der BBG verdient scheint es einigermaßen zu gehen. Die breite Masse liegt aber zwischen HIV und der Bemessungsgrenze und wird somit fast wehrlos von gesetzeswegen abgemolken. Die Überalterung ist nur ein Faktor im gestörten Sozialgefüge und auch nicht erst seit Frank Schirrmachers Methusalem-Komplott im gesellschaftlichen Bewußtsein angekommen. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/politischeliteratur/263806/ Die wachsenden Folgen wie Leistungsverwährung, Leistungskürzung oder Aussteuerung werden heute noch unter sozialen Aspekten entscheiden, in wenigen Jahren aber wohl nur noch unter rein finanzieller Auslese. Damit schließt sich der Bogen und zeigt auf, daß wir in eine mehr und mehr sozialdarwinistische Gesellschaft hineinwachsen. Auswege? Die vermögend sind kaufen sich die gewünschten Leistungen problemlos hierzulande und die zumindestens flexiblen Bundesbürger verbringen günstig umsorgt und gepflegt ihren Lebensabend auch gern in warmen Ländern. Für die anderen bleibt als Ausweg die polnische Pflegkraft http://www.katholisch.de/35300.html oder Hilforganisationen und Barmherzigkeit.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Gelegenheitsposter, Samstag, 10.10.2009, 17:08 (vor 5533 Tagen) @ Joachim Röhl

In einer der letzten Mitgliederzeitschriften meiner Kasse war aufgeliestet wieviele Versicherte tatsächlich Beiträge zahlen und wieviele beitragsfrei (familienversicherung) versichert sind. Da hab ich nicht schlecht gestaunt und jetzt wundert mich das Finanzproblem überhaupt nicht mehr!

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

GKVler, Samstag, 10.10.2009, 20:42 (vor 5533 Tagen) @ Gelegenheitsposter

hier ein paar interessante Links zu dem Thema....

Krankheitskosten nach Alter und Geschlecht aufgeteilt:
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI14.pdf

Gesundheitskosten 1995 und 2005:
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI14.pdf

gesamte Gesundheitskosten - absolut und relativ zum BIP:
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI14.pdf

Krankenkassen und ihre Versicherten

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Czauderna, Sonntag, 11.10.2009, 10:55 (vor 5532 Tagen) @ Andreas

Hallo,
irgendetwas scheinen Sie zu verwechseln und nicht richtig einordnen zu können.
Was Sie hier "preisgeben" ist erstmal ein Grund für den Ihre Freundin fristlos gefeuert gehört.
Zum anderen unterstellen Sie den gesetzlich Krankenkassen in Deutschland dass die Beiträge ja eigentlich neidriger sein könnten.
Ich empfehle Ihnen mal, sich den Jahresbericht (Bilanz) Ihrer Krankenkasse anzuschauen und mal nachzulesen wie sich die Ausgaben aufgliedern - werfen Sie da auch mal einen Blick auf die Sparte Verwaltungskosten (Sie wissen schon, Personalkosten, Manager-gehälter, Versicherungspaläste usw.).
Ich glaube dass Sie dort keinen Wert über 7% finden werden.
Zurück zu Ihrem "Chef" - wenn der weniger Krankenkasse als Sie zahlt - dann muss er zur Festlegung seiner Beiträge bei der Krabnkenkasse seinen Einkommenssteuerbescheid bei der Kasse vorlegen - ja, und was da steht, das wird genommen.
Wenn da eben sowenig steht , dann ist es eben so.
Wenn Sie glauben, z.B. in der Schweiz, ginge es anders zu, nur weil Sie selbst dann mehr verdienen würden dann täuschen Sie sich aber gewaltig.
Nur hin in die Schweiz - die freuen sich unbändig auf "Gastarbeiter" aus Deutschland - sorgen die doch dann dafür dass
das für die Schweiz wirklich gute System ins Wanken geraten könnte.
Warum glauben Sie gibt es in der Schweiz nicht so viele Einwanderer wie bei uns - warum sind ganze Generationen
deutscher Staatsbrüger z.B. türkischer Herkunft heute Deutsche und keine Schweizer ??
Gruß
Czauderna

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Sonntag, 11.10.2009, 13:32 (vor 5532 Tagen) @ Czauderna

Anonym Informationen zu geben, die manchem Mitleser die Augen öffnen, finde ich schon in Ordnung, denn dies ist der Sinn des Forum. Aber zum Thema, Spiegelleser wissen bekanntlich mehr heißts und wer sich die aktuelle online Ausgabe mal auf der Zunge zergehen läßt http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,druck-653784,00.html begreift, warum wir uns seit Jahren immer nur im Kreis drehen und der Kampf gegen die finanzkräftige Lobby von Pharma, Ärtzeverbänden, Krankenhäusern und Apotheken in einem marktwirtschaftlichem System erfolglos ist. Es scheint wie der Versuch eines Blinden mit salzigem Meerwasser seinen Durst zu stillen ..
Wer immer noch glauben mag, daß die einkommensabhängigen umlagefinanzierten Beiträge
der gesetzlichen Krankenversicherung die soziale Dauerlösung sind, ist im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen. Wenn heute 40% und in wenigen Jahren über die Hälfte der Bevölkerung von Transferleistungen* wie Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Sozialgeld und HIV leben, kann das erforderliche Beitragsaufkommen für die gesetzliche Krankenversicherung nicht erbracht werden. Einen Goldesel kennen wir nur von den Gebrüdern Grimm. Was bleibt sind kurzfristige Lösungen die Zusatzbeiträge für alle Versicherten zu erhöhen - bringt aber mittelfristig nichts. Die Beitragsbemessungsgrenze auf Rentenversicherungsniveau anzuheben wäre theoretisch sinnvoll - würde aber zum weiteren Abwandern der dann betroffenen Gutverdiener in die PKV führen. Und schmerzlich rollt gerade seit Anfang Oktober die erste Kündigungswelle der bislang drei Jahre Zwangsversicherten auf die Kassen zu, war doch seit 2007 vielen freiwillig versicherten Angestellten der sofortige Weg in die PKV verbaut worden. Was hat auch das gebracht - eine rein zeitliche Schuldenverschiebung.
Das man auch die PKV mit Vorsicht geniessen muß und sehr sorgfältig entscheiden soll was man versichert und was man gegebenenfalls selbst tragen möchte, spricht dennoch für die individuellen Wahlfreiheiten des anderen kapitalgetragenden Systems. Wer nur auf billig und die PKV ab 59€ sieht, muss dann auch gleich einer bundesweiten Bahnfahrt ab 29€ bereit sein Einbußen hinzunehmen. Die Privattarife in 2009 fordern zumindestens in der preiswerten Klasse einen Gang zuerst zum Hausarzt "Primärarztprinzip", Kappungen beim Zahnersatz in den ersten Versicherungsjahren "Zahnstaffeln" und kennen u.a. keine kostenlose Familienversicherung und fordern den selbstverantwortlichen Versicherten auch mit der Bereitschaft zu Selbstbeteiligungen und der eigenen Vorsorge für eine Beitragssenkung im Alter. Das ist sicher ein unsolidarisches und zutiefst egoistisches Versicherungssystem, welches aber bis heute für über acht Millionen Deutsche an Faszination nicht verloren hat und im Gegensatz zum Kassensystem kein "sozialverträgliches Frühableben" provoziert, denn die Privatversicherten leben im Bundesdurchschnitt sogar ca. acht Jahre länger. Fragen? ePost
*http://www.welt.de/politik/deutschland/article4128087/Der-deutsche-Sozialstaat-geraet-aus-den-Fugen.html

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Bosselt, Sonntag, 15.11.2009, 21:18 (vor 5497 Tagen) @ Joachim Röhl

Das ist wirklich mal ein tolles Argument, dass privat Krankenkassenversicherte im Durchschnitt acht Jahre länger leben.
Wieso bin ich eigentlich noch in der gesetzlichen Krankenversicherung?
Weil du arm bist, musst du früher sterben
meint Bosselt

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Donnerstag, 17.12.2009, 09:09 (vor 5465 Tagen) @ Bosselt

und die die irgendwie können laufen eben dann weg! http://www.wiwo.de/politik-weltwirtschaft/junge-generation-verabschiedet-sich-vom-sozialstaat-414604/

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Bienchen, Mittwoch, 30.12.2009, 14:56 (vor 5452 Tagen) @ Joachim Röhl

Und sicher kommt alles noch viel schlimmer http://www.hartgeld.com/sozialsysteme.html

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Sonntag, 17.01.2010, 00:46 (vor 5435 Tagen) @ Bienchen

Hartgeld.de ist schon kein Geheimtip mehr .. aber mittlerweile ist auch so dem breiten Publikum klar geworden, daß was faul im Staate Dänemark ist. Denn zu Sarrazin und Buschkowsky haben sich nun der Wirtschaftsweise Prof. Franz und heute auch noch CDU-Haudegen Roland Koch gesellt. Ob die lautstark befürwortete Arbeitspflicht für HIVer zu sehr an dunkle Kapitel deutscher Geschichte erinnert, muß man sicher diskutieren. Laut "Bildungsblatt" sprachen sich spontan 58% dafür aus und im eher gemäßigten Fokus kommt es zu ähnlichen Reaktionen. Die sozialen Sicherungssysteme von gesetzlicher Rentenversicherung und Krankenversicherung bis hin zur Pflegeversicherung fangen also an zu brechen, nun sind die marginalisierten Prekarier auf sozial unterster Stufe im Trommelfeuer und der Politik muß man da viel Kraft wünschen.
http://www.bild.de/BILD/politik/2010/01/07/arbeitspflicht-fuer-hartz-iv-empfaenger/wirtschaftsweiser-wolfgang-franz.html http://www.focus.de/politik/deutschland/roland-koch-arbeitspflicht-fuer-hartz-iv-empfaenger_aid_471278.html

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Marc, Sonntag, 24.01.2010, 12:16 (vor 5427 Tagen) @ Joachim Röhl


Die Diskussionen um die Zukunft der gesetzl. Krankenversicherung wird immer turbulenter und absurder:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,673675,00.html

Das Finanzministerium schwadroniert jetzt bereits von einem "Gesundheits-Soli" als Aufschlag auf die Einkommensteuer. Dadurch würden PKV-Versicherte finanziell zusätzlich an der Finanzierung der gesetzlichen KV beteiligt (neben den teils drastischen Steigerungen der eigenen PKV-Tarife), weshalb ich im Falle der Realisierung schon auf die erste Verfassungsklage von PKV-Versicherten warte.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Sonntag, 24.01.2010, 20:08 (vor 5427 Tagen) @ Marc

Minister Rösler hat wohl die Kraft auch Dank seines Status als gestandener Facharzt den Kampf mit vorzugsweise Zahnärzten und Pharmaindustrie aufzunehmen. Denn sowohl die Kosten für Zahnersatz, als auch Medikamente sind im letzten Jahr wieder um mehr als 7% explodiert. Ambulante und stationäre Leistungen lagen hier aber unter vier Prozent. Problem ist, daß in der PKV die meisten Neuverträge Zuzahlungen von zwei- bis dreihundert Euro jährlich für Arznei-, Verband-, Heil- und Hilsmittel kennen, wo bei SGB V in den Kassen noch eine Vollkaskomentalität verbreitet ist und echt spürbare Zuzahlungen leider die Ausnahme sind.
Wird sich aber alles mit der aktuellen Krise ändern, in anderen Ländern wird vieles direkt und selbst aus der Apotheke bezogen und eine geringere Ärztedichte oder eine stärkere Positionierung der privaten Zusatzversicherung führen nicht automatisch zu einem "]sozial verträglichen Ableben" sondern zu mehr Eigenverantwortung. Es fällt schon auf, daß gerade Nullbeitragszahler wie viele Kunden in den Jobcentern, wo faktisch die Gemeinschaft für die Arztkosten aufkommt, die meisten Alkoholiker und Nikotinabhängigen führen. Aber auch die Übergewichtigkeit als Folge von falscher Ernährung und Bewegungsarmut grassieren. Teure Krankheitsbilder wie Herz- und Kreislauferkrankungen aber auch Diabetes sind die Folge. Die Katze beißt sich hier noch in den Schwanz, aber ein Anfang scheint gemacht zu sein im BMG in Berlin.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Lord, Montag, 25.01.2010, 10:03 (vor 5426 Tagen) @ Joachim Röhl

Es muss einiges nachgebessert werden. z.B. Zahnersatz. Wenn man 10 Jahre Vorsorgeuntersuchungen gemacht hat, dann werden 65% der Regelversorgung übernommen. Geringverdiener müssen aber nichts für die Vorsorge tun und kriegen 100% der Regelversorgung bezahlt. Das finde ich nicht richtig. 100% sollten nur übernommen werden, wenn Vorsorge nachgewiesen wird.Auch die Übernahme von 50% der Regelversorgung ohne Nachweis von Vorsorgeuntersuchungen sollte komplett gestrichen werden. Wenn man sich um seine Zähne nicht kümmert kriegt auch nichts bezahlt.

Für manche Arzneien gibt es momentan überhaupt keine Zuzahlungen. Außerdem kriegt ein Kassenpatient überhaupt nicht mit, wie viel Arznei-, Heil- und Hilfsmittel kosten. Man zahlt ja nur geringe Zuzahlungen. Ambulanter Bereich sollte komplett auf Kostenerstattungsprinzip umgestellt werden.

Re: Explosion der Sozialkassen - Keule?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 25.01.2010, 10:51 (vor 5426 Tagen) @ Lord

Und genauso läufts in den Niederlanden seit 2006, was Minister Rösler auch stark favorisiert. Alle Versicherten bekommen für ambulante Behandlungen Rechnungen, bezahlen und reichen dann zur Kostenerstattung ein. Der Zahnersatz ist komplette Privatsache, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch. Vorsorgebehandlungen ab Kindergarten und Zahnpflege werden somit zur günstigsten Investition und wers anders will muß in Zukunft mehr auf Suppennahrung umsteigen oder selber zahlen. Ergebnis insgesamt nach drei Jahren: drastische Kostenreduzierung, die Praxen an den Montagen weit weniger gefüllt als in der Bunderepublik, Ärztehopping am Aussterben und die Apotheken brummen. Hierzulande wird leider wenig drüber publiziert. http://www.minvws.nl/en/folders/z/2006/the-new-health-insurance-system-in-three-languages.asp

Explosion des Wissens? woher?

GKVler, Montag, 25.01.2010, 22:20 (vor 5426 Tagen) @ Joachim Röhl

na ja und auch Sterbehilfe bietet die Niederlande netterweise an...

woher kennst du eigentlich die Vorlieben unseres Ministers? Gehst du mit ihm Mittagessen?

und woher nimmst du immer deine Aussagen wie z. B

Es fällt schon auf, daß gerade Nullbeitragszahler wie viele Kunden in den Jobcentern, wo faktisch die Gemeinschaft für die Arztkosten aufkommt, die meisten Alkoholiker und Nikotinabhängigen führen. Aber auch die Übergewichtigkeit als Folge von falscher Ernährung und Bewegungsarmut grassieren. Teure Krankheitsbilder wie Herz- und Kreislauferkrankungen aber auch Diabetes sind die Folge.

ist das nur die private Meinung von Joachim Röhl oder gibt es dazu valide Zahlen? oder vieleicht hast du dich selbst in eine ArGe gesetzt und die Kunden dort befragt?
die nächste Frage lautet dann wohl: was war zuerst da - das Huhn oder das Ei? wird jemand zum Alkoholiker weil er Hartz IV bezieht oder wird er zum Hartz IV-Bezieher, weil er Alkoholiker ist? wobei man vielleicht erwähnen sollte, dass Suchtkrankheiten in allen Bevölkerungsschichten vorkommen...die anderen erwähnte Krankheiten übrigens auch.

Gruß GKVler

Re: Explosion des Wissens? woher?

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Montag, 25.01.2010, 22:49 (vor 5426 Tagen) @ GKVler

Die Sterbehilfe ist in Deutschland aufgrund der durchgeführten Euthanasie der Nationalsozialisten noch für sicher lange Zeit ein ganz heißes Eisen. Das sich Deutsche vor Ort in Holland, als auch in der Schweiz für das Thema interessieren, ist durch die Medien des öfteren publiziert worden. Wenn Du in Berlin lebst und für Wirtschaftsverbände, Mittelstandsvereinigungen und politische Kultur insgesamt aufgeschlossen bist, kannst Du auch mit Minister Rösler Tuchfühlung nehmen. Die zu begrüßende Nähe zum holländischen Modell wurde zuletzt Mitte Januar in einem ausführlichen Interview vor Deutschlandradio wiederholt geäußert, den Verweis hatte ich schonmal eingestellt. Komm also einfach mal in die Schuldenhauptstadt mit einem Harzeranteil von über zwanzig Prozent, besuche die JobCenter in Neuköln oder Wedding und im Zweifelsfalle lies auch aus dem reichen Erfahrungsschatz von verantwortlichen Kennern der Lage wie Heinz Buschkowsky (SPD) oder Tilo Sarrazin gleiche Partei und dann berichte hier wieder. Hilfreich sind aber auch unterschiedlichste Berichte von Spiegel-TV wie anderen zeitkritische Sendungen ..

RSS-Feed dieser Diskussion
powered by my little forum