Gesetzlich gegen Privat? (Private Krankenversicherungen)

Avalon, Samstag, 27.01.2007, 01:45 (vor 6516 Tagen)

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es eine Art "Berliner Mauer" zwischen den gesetzlich und den privat Versicherten hier im Forum gibt. Was unterscheidet denn nun beide? Und was haben sie gemeinsam? Wie funktioniert das System? Ist jemand, der lange Jahre privat versichert war, abzuwerten, wenn er in die gesetzliche Krankenkasse zurück will? Ist es verwerflich, aus der gesetzlichen Krankenkasse in die private Krankenkasse zu wechseln, auch, wenn man einmal Leistungen in Anspruch nahm, die eventuell sogar die eigenen Beiträge übertroffen haben? Oder funktionieren die beiden Systeme nur verzahnt? Gibt es diese "Berliner Mauer" zwischen den Systemen?

Re: Gesetzlich gegen Privat?

Thomas, Samstag, 27.01.2007, 04:11 (vor 6516 Tagen) @ Avalon

Bei dem Geschimpfe gibts hier viel Ideologie von hier schreibenden Kassenmitarbeitern. Es wird leider vergessen, dass die GKV mit Steuergeldern quersubventioniert wird, die alle, auch die PKV-Versicherten, mitzahlen.

Ja, wie funktioniert das System? Wir haben in Deutschland eine Mischung aus berufsständischem System und einem System, das sich nach Sozialschutz orientiert. Das liegt daran, dass die GKV schon früh von Steuerzuschüssen lebte, und die Politik von den Reichen forderte, sich doch bitte schön selbst um Ihre Gesundheitsabsicherung zu kümmern. Dies liegt auch daran, dass die KV im Kaiserreich wegen der nicht vorhandenen Therapien v.a. für Krankengeld und Sterbegeld wichtig war. Selbständige gut verdienende Angestellte sollten hier selber vorsorgen, bei Beamten übernahm dies der Staat. Und so gerieten diese Gruppen in die PKV, als durch den medizinischen Fortschritt neben der Lohnfortzahlung auch Behandlung wichtig wurde.

Da man sich nun sogar im neuen SGB V dazu durchringen will, Menschen nach ihrem Beruf systematisch einem System zuzuweisen, wissen wir worauf das ganze raus läuft: ein ständisches Gesundheitssystem. Eigentlich ein Wahnsinn im 21. Jahrhundert. Beamte und Selbständige in die PKV, der Rest in die GKV. So gilt ja auch die neue 3-Jahres-Regel für den Wechsel nur für Arbeiter und Angestellte, nicht für Beamte und Selbständige!

Und zudem: Die GKV wird seit Jahren absichtlich unattraktiv gemacht für Beamte und Selbständige:
Für Beamte deshalb, weil der Staat die Zahlung des hälftigen GKV-Beitrags verweigert, dafür aber durch die Beihilfe die Hälfte einer Privatrechnung bezahlt. Und wer als Beamter in der GKV bleibt, wird schon in einigen Ländern ganz aus der Beihilfe ausgesteuert, d.h. der Staat sagt: Krankenversicherung in der GKV ist dein Privatding.
Für Selbständige deshalb, weil fiktive Mindesteinkommen für die Beitragsberechnung in der GKV angenommen werden, von denen man heutzutage bei vielen Selbständigen nicht mehr ausgehen kann.
Durch den Kontrahierungszwang der PKV für Beamte seit 2005 und den neuen Basistarif für Selbständige ohne Gesundheitsfragen, wird diese Klientel, die für die GKV nur lästig ist (keine passenden Tarife), endgültig in die PKV verabschiedet.

Allein die besserverdienenden Angestellten und Arbeiter haben heute noch das Privileg der echten Wahlfreiheit und durch die Versicherungspflichtgrenze die Möglichkeit der sozialen Hängematte bis zum 55. Lebensjahr, aber nach der Reform nicht mehr bei Arbeitslosigkeit.

Da man im 21. Jahrhundert in seinem Leben ohne weiteres ein paar Jahre Beamter auf Zeit, dann Selbständiger und dann Angestellter sein kann, ist das System so einfach nicht mehr zukunftfähig. Denn bei Berufswechsel hat oft nicht mehr die echte Wahlfreiheit!
Auch wird die PKV durch den neuen Basistarif zu einer neuen, parallelen Sozialgemeinschaft, nämlich von 10% der Bevölkerung. Und hierbei handelt es sich sicherlich nicht um die oberen 10%, wenn man die vielen Beamten des mittleren Dienstes und deren Angehörigen betrachtet. Damit wird die PKV aber ziemlich teuer werden.

Bei einem eindeutigen Ausgang der nächster Bundestagswahl werden wir das Modell Österreich oder das Modell Schweiz/Niederlande bekommen: entweder Bürgerversicherung mit PKV als Zusatzversicherung oder GKV mit Kopfpauschale (Schweiz) bzw. Kombi aus Kopfpauschale und prozentualem Arbeitgeberbeitrag (NL), die dann auch zu privaten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit umgewandelt werden können, wie dies in den NL geschah. Dreimal dürft Ihr raten, warum die GKV zur Zeit mit aller Gewalt entschuldet werden soll! Ein VVaG kann schließlich nicht solche Schulden übernehmen!

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