PKV steht das Wasser bis zum Hals (Private Krankenversicherungen)
10.06.2008 | 20:47 Uhr
Rheinische Post:
Eigentor der Privatversicherer
Von Antje Höning
Düsseldorf (ots) - Den privaten Krankenversicherungen steht das Wasser bis zum Hals. Sie haben wie die gesetzlichen Kassen unter der Alterung der Gesellschaft zu leiden. Denn die Rückstellung, die sie für jeden Versicherten bilden, ist zwar gut, reicht aber nicht, um dessen Krankheitskosten im Alter zu bezahlen. Daher sind auch die Privaten auf junge Mitglieder angewiesen. Doch Ministerin Schmidt macht es ihnen immer schwerer, diese zu gewinnen. Kein Wunder, dass die Branche verzweifelt nach Auswegen sucht. Als Irrweg dürfte sich jedoch der Weg erweisen, den nun Axa, Ergo und Allianz gehen wollen: Sie erhoffen sich von der von ihnen vorgeschlagenen Einheitsversicherung für alle Deutschen, dass sie sich ein Stück vom Kuchen der gesetzlichen Krankenkassen abschneiden können. Tatsächlich aber dürfte es genau anders kommen. Grundabsicherung zum Einheitspreis das können AOK und Co. im Zweifel preiswerter, müssen sie doch keinen teuren Außendienst finanzieren. Am Ende würde den Privaten dann nur noch das Geschäft mit den Zusatzpolicen bleiben. Das ist auch gesamtgesellschaftlich schlecht: Wenn eine Gesellschaft schon zu wenig Kinder und künftige Beitragszahler in die Welt setzt, sollte sie wenigstens einen großen Kapitalstock aufbauen. Allianz und Co. haben hier ein Eigentor geschossen.
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Re: PKV steht das Wasser bis zum Hals
Privatkassen
Aus Angst lieber Selbstmord
Die Furcht vor der einst belächelten Kassen-Konkurrenz treibt die privaten Versicherer zum Äußersten. Leidtragende sind einmal mehr die Kunden.
Kommentar von FOCUS-Redakteur Matthias Kowalski
Privatpatienten werden für Ärzte lukrativer
Die Querelen der Versicherer belasten das Vertrauen der Patienten ins System
Der Streit unter Deutschlands Privaten Krankenversicherungen
läuft auf einen Selbstmord der Branche hinaus.
Die Gruppe der börsennotierten Konzerne um Allianz, Axa und Münchener Rück (DKV, Victoria) schlägt allen Ernstes vor, sich in eine Art gesetzliche Superkrankenversicherung aufzulösen – mit einheitlichen Kopfpauschalen für alle Versicherten. Alter? Vorerkrankung? Individuelle Risikoprüfung? – Plötzlich alles egal.
Wer bisher nicht mitbekam, dass die meisten PKV-Manager
keinen Schimmer haben, wie sie den Herausforderungen ab
2009 (erhöhter Wettbewerb, Wechselmöglichkeiten der
Altkunden, Mitnahme von Teilen der Altersrückstellungen) begegnen sollen, kriegt jetzt ein erstaunliches Lehrstück dargeboten, wie man auch noch das Vertrauen seiner
8,4 Millionen Kunden verspielt.
Unliebsame Konkurrenz
In Wirklichkeit plagt die Versicherer die pure Angst, im Wettbewerb mit {b]AOK, Barmer, DAK [/b]& Co. unterzugehen.
Die gesetzlichen Kassen bieten immer mehr Wahl- und Optionstarife von Selbstbehalten bis Beitragsrückzahlungen
an und dringen sogar in die angestammte Domäne der Privaten,
die Zusatzversicherung, vor.
Auch das Argument der vermeintlich besseren und schnelleren Behandlung als Privatpatient verfängt bei immer weniger Neukunden: Gerade einmal 100 000 Neuzugänge verbucht die PKV noch pro Jahr. Das sind viel zu wenige, um die Kosten gut zu mischen. Die Gemeinschaft der PKV-Versicherten vergreist zusehends. Die ungelöste Frage der Zukunftsfähigkeit und Bezahlbarkeit im Alter hält auch somit immer mehr gutverdiende Umsteigekandidaten von einem Wechsel zurück.
Kranke sind nicht mehr lukrativ
Da bleibt nicht genug Platz für 47 private Krankenversicherer, von denen viele ihre renditehungrigen Konzernmütter im Nacken sitzen haben. Eine Fusions- und Übernahmewelle steht der Branche ins Haus. Die Versicherer Bayerische Beamtenkrankenkasse und KarstadtQuelle ziehen sich bereits aus dem kränkelnden Geschäft mit den Gesundheitskosten zurück.
Sie werden nicht die Einzigen bleiben, solange die Vorstände der übrigen Unternehmen nicht wissen, ob sie wirklich PKV oder nicht doch lieber eine Art von gesetzlicher Krankenversicherung sein wollen.