Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV (Private Krankenversicherungen)

Susanne @, Donnerstag, 20.11.2008, 19:06 (vor 5852 Tagen)

Hallo,

weiß jemand, mit welchen Beitragsentwicklungen ich (ungefähr) rechnen muss, wenn ich mit 55 Jahren in die PKV eintrete?

Eine Modellrechnung der Stiftung Warentest besagt, dass ein 35jähriger mit 65 Jahren den dreifachen Beitrag zahlen wird. Dies kann man ja wahrscheinlich nicht auf den Zeitraum 55 - 85 Jahre übertragen?

Bin dankbar für kompetenten Rat.

Freundliche Grüße
S.

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Donnerstag, 20.11.2008, 23:45 (vor 5852 Tagen) @ Susanne

Doch, man muß und kann vage prognostizieren, aber sicherer ist vielleicht erstmal der unstrittige Blick in die Vergangenheit. Eigener PKV-Einstieg vor knapp 20 Jahren mit 280DM ca.140€, heute mit 50 ganze 360€ - also mehr als eine Verdopplung, was aber auch schon zu Beginn der 90er zu erwarten war. Anm. AOK in Berlin damals 160 DM würde für mich aktuell 590€ kosten.

Kostenexplosion im Gesundheitswesen, Überalterung, übersteigertes Anspruchsdenken, soziale Entmischung, Folgen der HIV Politik und speziell in der PKV noch fehlender Neukundenzugang durch Gesundheitsreform etc. führt langsam zu amerikanischen Verhältnissen. Folgedessen werden in beiden Systemen Leistungen runtergefahren und der Frosch wird gekocht ohne das er so recht mitbekommt wie die Temperatur im Topf von Wahl zu Wahl langsam steigt. Über die Blüten SGBV kannst Du im Forum 1 nachlesen, aber auch bei der PKV wird mit grassierenden Billigtarifen (u.a. hohen Selbstbeteiligungen, gekappten Hilfsmittelkatalogen, Primärarztprinzipien, Zahnstaffeln etc.) der Preis mit aller Macht nach unten gekloppt und nur der Unwissende merkts nicht. Hochleistung kostet also auch hier richtig Kohle und jeder Kunde möchte nach Thorulf Müller eine Dreieinigkeit aus hoher Leistungen+günstiger Prämie+langfristig stabilem Beitrag, was aber noch kein Anbieter nachhaltig praktizieren konnte.

Was tun? Ich verkaufe PKV nie ohne den Hinweis, daß es fahrlässig ist ohne das sprichwörtliche Airback eines "Beitragssicherungsprogramms" die lange Reise zu beginnen. Entweder die Gesellschaft bietet etwas hauseigenes an oder ich muß selbst einen Weg finden.
In der Regel ist für den Mittdreissiger ein Aufwand von 150-200€ mtl. ausreichend um die Beitragsexplosion im Alter abzufangen. Mit dem 55. liegt das Verhältnis von heutigem Aufwand zu späterer Beitragssenkung bei fast 1:1 und damit wird die Schallmauer des aktuellen GKV-Höchstsatzes meist durchbrochen. Rechne nicht damit, daß 10%iger gesetzlicher Zuschlag und 120 Mrd.gewaltige Alterungsrückstellungen die PKV-Szenarien langfristig entschärfen. Sorgt einer nicht vor, hat er entweder viel Barvermögen oder er muß eines Tages Absatteln in den kassenähnlichen Basistarif oder ihm ist heute und später eh alles egal.

Fazit: wenn Du meine Schwester wärst, würde ich auf eine vernünftige Zusatzversicherung setzen die Dich grob zwischen 95 bis 180€ kostet und Dich in den Privatstatus bei Arzt, Zahnarzt und im Krankenhaus versetzt. Die oft angepriesenen 9,99€ sind meist nur die kleinen Zahngeschichtchen...
Fragen? e-mail

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Susanne @, Freitag, 21.11.2008, 15:51 (vor 5851 Tagen) @ Joachim Röhl

Vielen Dank, Joachim, für Deine ausführliche Antwort. Bei mir ist die Situation ein wenig verzwickt. Was ich noch nicht geschrieben hatte, ist, dass ich eine Beihilfeberechtigung habe (bin seit kurzem verwitwet, mein Mann war Beamter). Die Allianz würde mich wahrscheinlich aufnehmen (Probeantrag ist gestellt) mit 30% Zuschlag, das wären dann ca. 300 € Monatsbeitrag. Dennoch bin ich beim Nachrechnen erstaunt, wie hoch die Beiträge trotz Beihilfe dann werden können. Bin richtig froh, hier noch einmal nachgefragt zu haben. Ich glaube, Dein Rat, in der Gesetzlichen zu bleiben (seit Jahren habe ich gute und dadurch preisgünstige Zusatzversicherungen), ist sehr gut. Für die nächsten Jahre rechne ich incl. Zusatzversicherungen bei der GKV mit einer Beitragssumme von 400-450 €. Was mich an der ganzen Geschichte stört, ist systembedingt, da kann man sich manchmal nur wundern. Hätte ich, wie es anscheinend von einer anständigen Beamten-Ehefrau erwartet wird, meine Zeit mit Haushalt und Kaffeekränzchen verbracht, statt mich 30 Jahre in anstrengenden Angestellten-Positionen abzurackern, stünde ich um einiges besser da ... . Nun, sei"s drum, es gibt wirklich Schlimmeres.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende!
Susanne

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Christian @, Samstag, 22.11.2008, 19:06 (vor 5850 Tagen) @ Susanne

Hallo Susanne!
Ich hoffe Sie lesen dies hier noch!
Vorausgesetzt Sie haben wirklich einen Beihilfeanspruch (70%) & haben nicht mehr vor einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen...
Der Umstand Ihres Beihilfeanspruches ändert alles!
Stoppen Sie den Probeantrag bei der Allianz vorerst!
Sie haben auch einen Rechtsanspruch auf Annahme mit max. 30% Risikozuschlag bei vielen anderen Versicherern!
Dazu um einiges günstiger + besser versichert (ab 180 €/EA: 55 Jahre)!
Sobald Ihnen aber das rechtsverbindliche Annahmeangebot der Allianz vorliegt, haben Sie Ihr Recht auf Öffnungsaktion /Kontrahierungszwang verwirkt!
Sollte es bereits zu spät sein, könnten Sie dennoch versuchen eine "normale" Annahme bei anderen Versicherer zu bekommen!
Die 300 € der Allianz stimmen nicht bei einem EA von 55 Jahren! Die 30% RZ werden nicht vom Gesamtbetrag berechnet. Es ergibt sich ein Beitrag von ca. 260 €.
Ihre Zusatzversicherungen können Sie nach Rücksprache mit beiden Versicherern eventuell behalten bzw. bedarfsgerecht umwandeln.

Sie haben noch eine weitere Möglichkeit, unabhängig von dem zuvor geschriebenen. Diese können Sie auch bei der Allianz wahrnehmen.
Beamte und deren Angehörige sind der PKV zuzuordnen. Dadurch, dass seit geraumer Zeit Versicherungspflicht in D besteht & ja nicht alle Beamte und deren Angehörige noch einen Anspruch auf Öffnungsaktion haben, müssen die Privaten einen Standardtarif (ab 1.1.09: Basistarif) bereitstellen. Leistungsniveau nahezu identisch zur GKV. Vorteil für Sie: Sie zahlen 30% des
durchschn. Höchstbeitrages der GKV (2008: 532,80) = 160 €!!!
Nachteil: Es sind keine privaten Zusatzversicherungen zulässig!

Vergessen Sie in Ihren Überlegungen bitte auch nicht das höhere Erstattungsniveau der Beihilfe!

Einige Infos finden Sie auch auf der Seite des PKV-Verbandes:
http://www.pkv.de/publikationen/info_broschueren/

Ich muss jetzt leider los, hoffe konnte helfen!

LG
Chris

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Thomas, Sonntag, 23.11.2008, 03:32 (vor 5850 Tagen) @ Christian

Aber noch eine Anmerkung zum Basistarif:
Der Basistarif ab 1.1.2009 schließt keine Zusatzversicherungen aus, die auch für die GKV zugelassen sind! Ein Zusatztarif verhindert nur die Deckelung des Beitrags analog zum Einkommen bei Hilfebedürftigen! Das ist aber im Rahmen einer 70%-Beihilfeberechtigung irrelevant.
Angesichts dieser Tatsache bin ich schon gespannt, was die Entwicklung der Beihilfetarife angeht, da der Basistarif mit einer stationären Zusatzversicherung und einem Zahnzusatz in manchen Fällen billiger sein dürfte als die Normaltarife, die ja keinen Bezug zur GKV-Höchstgrenze nehmen!

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Bodo, Sonntag, 23.11.2008, 08:55 (vor 5850 Tagen) @ Thomas

Stichwort Basistarif: Es bleibt nur noch gut ein Monat, bis dieser angeboten werden muss. Auf den Webseiten der PKV-Unternehmen sucht man entsprechende Angebote aber vergeblich, das Thema wird anscheinend totgeschwiegen. Gibt es denn inoffiziell schon Informationen darüber, wie teuer der Basistarif für einen ca. 40-jährigen Mann wird?

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Sonntag, 23.11.2008, 11:09 (vor 5850 Tagen) @ Bodo

Die Versicherer insgesamt mauern und selbst die hauseigenen Vertriebe bekommen keinerlei Preislisten. Alles nur auf Nachfrage bei speziellen Abteilungen für dieses neue und ungewünschte Klientel der drittklassig Privatversicherten. http://www.pkv.de/recht/gesundheitsreform_2007/basistarif/

Branchengleich liegt der Einstiegsbeitrag für Neukunden - vorher also nicht schon beim gleichen Versicherer versichert - so um die 500€ aufwärts, wird aber noch gesteigert werden, da ja die GKV ab 2009 auf 15,5% erhöht und bei Deckelung der Höchstsatzes so um die 600€ liegen wird.
Selbst eine 25jährige Neukundin wird auf eine aktuelle Anfrage hin schon mit 450€ mtl. eingestuft und auch die möglichen Selbstbeteiligungen ändern daran nur wenig.
Der Basistarif ist und bleibt eine Mißgeburt, weil er den mangelhaften Leistungskatalog der GKV + den PKV-Nachteil der Entsolidarisierung durch Prokopfversicherung in einem Tarif vereint. Hoffentlich ist er nur überlebensfähig bis zur nächsten Bundestagswahl ist, so der deutsche Michel denn aufwachen sollte.

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Bodo, Sonntag, 23.11.2008, 12:03 (vor 5850 Tagen) @ Joachim Röhl

Danke! Dann ist der Basistarif im Normalfall tatsächlich uninteressant.

Ich hatte vermutet, dass sich die Prämien angesichts des auf GKV-Niveau begrenzten Leistungsumfangs und der viel geringeren ärztlichen Vergütung stärker im Rahmen halten. Aber das ist wohl ein Irrtum, wenn sich der Basistarif zu einem Sammelbecken für Alte und Kranke entwickelt. Oder die PKV-Unternehmen wollen den Basistarif bewusst unattraktiv halten.

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Christian @, Sonntag, 23.11.2008, 13:42 (vor 5850 Tagen) @ Bodo

Natürlich sind Zusatzversicherungen möglich. Schande über mich!

@Bodo
Wie kommst Du auf einen Monat? Ab Januar löst in diesem Falle der Basistarif den Standardtarif ab! Jeder Beamter hat ab 1.1.-30.6. Anspruch auf diesen! Einmalige Öffnungsaktion.

Generell ist der Basistarif halt für die "unversicherten" mit wenig Geld gedacht. Bis 50% Zuschuss bei "Bedürftigkeit", liegt man dennoch unter dem Existenzminimum, legt Vater Staat noch einmal was drauf...
Finde es nachvollziehbar, wenn "unversicherte" mit hohen Einkünften/Vermögen auch einen hohen Beitrag zahlen.

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Susanne @, Montag, 24.11.2008, 19:18 (vor 5848 Tagen) @ Christian

Vielen Dank an alle, als Laie ist man in diesem KV-Dschungel fast verloren!

Freundliche Grüße,
Susanne

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Thomas, Dienstag, 25.11.2008, 04:48 (vor 5848 Tagen) @ Joachim Röhl

Na ja, so schlecht ist der Basistarif nicht, wenn man sich die Leistungszusammenfassung auf PKV.de ansieht. Da ist Kur, Reha, alle Hilfsmittel der GKV, Mutter-Kind-Kur, Krankengeld für Eltern von kranken Kindern usw. drin. Also den ganzen GKV-Luxus, der die GKV-Preise explodieren lässt und damit auch den Basistarif sprengen könnte. Allerdings für kleine Beamte könnte der Basistarif interessant sein, zumal die HUK bereits vor 2 Jahren angekündigt hat, dass sie einer Vermarktung nicht abgeneigt ist.
Also Abwarten und Teetrinken!
Meiner Meinung nach wird der Basistarif in manchen Fällen kleiner Beamten eine Alternative zur Öffnungsaktion mit saftigen Risikozuschlägen sein, zumal der Beamtenbasistarif vom Nichtbeamtenbasistarif getrennt kalkuliert wird und die Anzahl unversicherter Beamter gegen Null tendieren wird, d.h. diese Kosten fallen in diesem Tarif einfach nicht an! Deshalb kann dieser Tarif nicht mehr als 250 Euro in der 50%-Variante kosten!

Re: Beitragsentwicklung bei spätem Eintritt in die PKV

Susanne @, Montag, 24.11.2008, 19:16 (vor 5848 Tagen) @ Christian

Hallo Chris,

vielen Dank für diese Info! Da habe ich ja gerade nochmal rechtzeitig reingeschaut.

Freundliche Grüße,
Susanne

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