wer ist wirklich besser, gesetzl. oder privat? (Private Krankenversicherungen)
Da mir der deutsche Gesundheitswahnsinn langsam über den Kopf wächst möchte ich eine völlig unkonventionelle Frage stellen. Ich meine, gesetzl. u. private KV schieben sich die Schuld gegenseitig in die Taschen. Nur an das Sparen bei Vorstandsgehältern, bei den teuren Glaspalästen für Büros, den hohen EDV-Kosten, verschreiben überteuerter Pillen, sinnlose Facharztüberweisungen u.s.w. denkt wirklich keiner. In keiner Branche kann man jährlich die Preise so in die Höhe treiben. Ärzte machen regelmäßig Urlaub im Jahr und machen meist noch einige Weiterbildungen. Wer kann sich das sonst erlauben ohne dabei seine Kunden u. Aufträge zu verlieren. Wo bleibt denn hier der Markt?
Kann ich als privat versicherter auch in die gesetzl. KV wechseln? Welche Bedingungen, welche Vor-u. Nachteile gibt es?
Re: wer ist wirklich besser, gesetzl. oder privat?
Bei Deiner Überschrift werden Millionen Harzer oder Arbeitslose mit einem Beitrag in der AOK gleich 0€ oder der türkische Gemüsehändler Achmed und seine Frau Hatice nebst fünf mitversicherten Kindern bei einem Selbständigenbeitrag von 307€ nur lachen, wenn Du nach der PKV fragst.
Der freiwillig in der TK versicherte Diplomingenieur dagegen bekommt regelmäßig Wut, wenn er auf seinem Gehaltsstreifen sieht, daß er ab nächstem Jahr monatlich mit 342€ die "Solidargemeinschaft" unterstützt und seine Arbeitgeber auch noch mal 298€ in den schier bodenlosen Topf wirft. Nützt auch nix, wenn ihm dem kinderlosen Single die Kundenbetreuerin weißmachen will, wie gut doch eine Haushaltshilfe oder die Beitragsfreistellung bei Schwangerschaft in der GKV sei ..
"Aber als Rentner werden sie mal weniger zahlen?"
"Nein - da bin ich nach Altersteilzeit schon längst in meinem Häuschen im Florida und ohne Private läuft da garnichts."
Bei Millionen Beamten stellt sich die Frage eh kaum, da fast alle in der PKV sind - genauso wie über dreiviertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Weißt ja, über den Verlauf der Straßenbahnschienen entscheiden fast nie diejenigen, welche in der Straßenbahn sitzen .. überwiegend hast Du mit Deinen Gedankengängen aber durchaus recht.
Glücklicherwiese kann sich in Deutschland fast jeder und so die Eltern ein bischen Weitblick haben problemlos und schon ab Geburt privat zusätzlich versichern. Wie beim Essen oder Speisen, dem Holzklasseflug oder der business, der Bekleidung von Pimkie&Orsay oder dem feineren Zwirn gibt es auch in der gesundheitlichen Versorgung Qualitätskategorien. Wer sich mit dem einfachsten zufrieden gibt kann aber auch durchaus hundert Jahre alt werden und somit mußt Du die Entscheidung über sinnvolle private Zusatzversicherungen selbst treffen.
Gehst Du allerdings komplett in die Private, kämst Du in der Regel nur als pflichtig versicherter Angestellter bis zum 55. Lebensjahr in die GKV zurück.
Re: wer ist wirklich besser, gesetzl. oder privat?
"Bei Deiner Überschrift werden Millionen Harzer oder Arbeitslose mit einem Beitrag in der AOK gleich 0€ oder der türkische Gemüsehändler Achmed und seine Frau Hatice nebst fünf mitversicherten Kindern bei einem Selbständigenbeitrag von 307€ nur lachen, wenn Du nach der PKV fragst."
Ich warte auf den Aufschrei der Gutmenschen :) - aber Du hast sowas von Recht! Die Familienversicherung in der aktuellen Ausprägung hat mit sozialer Gerechtigkeit wenig bis michts zu tun.
Re: wer ist wirklich besser, gesetzl. oder privat?
Was ist besser?
Wer auch nur ein paar wenige Beiträge aus dem Forum gelesen hat trifft immer wieder auf die gleichen Antworten: Kann man pauschaul nicht sagen, kommt auf die Leistungswünsche an, kommt auf die familiäre Situation an, usw.
"Besser" - Was ist der Bewertungsmaßstab?
Maximales Geldsparen? Die Möglichkeit bestmöglicher Versorgung? Wertschätzung für das Solidarsystem? Beim Arzt bevorzugt behandelt zu werden? Eigenverantwortlichkeit bei der Gesundheitsabsicherung? Niedrige Beiträge in Zeiten schlechteren Einkommens und im Alter? Wirtschaftlicher Umgang mit limitierten Finanzmitteln?
Meine Meinung:
Der Beitrag
PKV ist in der Regel nur bedingt zum Geld sparen geeignet.
Wer einen "billigen" Tarif hat wurde schlecht beraten oder hat sich wissentlich für einen löchrigen Versicherungsschutz entschieden, der im Krankheitsfall die finanzielle Existenz ruinieren kann.
Für das Privileg die Samstags-Privat-Sprechstunde besuchen zu dürfen, verzichtet man doch gerne mal auf den medizinisch notwenigen Herzmonitor für 10.000 €, den die GKV bezahlt hätte - oder? ;) Die Motivation für die PKV sollte ein erhöhter Leistungsanspruch sein - und der kostet Geld. Man muss sich dessen klar sein, dass die Beitragsersparnis vermutlich eine Vorübergehende sein wird. Korrekter Weise wären übrigens die Beiträge von GKV+Zusatzschutz mit privater Vollversicherung zu vergleichen. Ok, alternativ kann man natürlich auch die Eigenverantwortung in den Fokus rücken und niedrige Beiträge durch große Selbstbehalte oder Leistungslücken im Tarif realisieren. Das ist aber nichts für die Masse sondern nur für Leute, die sehr genau wissen, was sie tun.
Wirtschaftlichkeit
Warum ist der Privatpatient bei den Ärzten lieber gesehen als ein Kassenpatient? Hinter dem Kassenpatient steht eine starke "Einkaufsgemeinschaft", die die Preise drückt!
Für das Gesundheitswesen steht nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, das es so effizient wie möglich zu nutzen gilt. Man kann sicher noch an der einen oder anderen Stelle an der Effizienz arbeiten, sei es die Anzahl der Krankenkassen oder seien es die Preise der Arzneimittel. Aber die Tendenz in der GKV stimmt: An verschmerzbaren Stellen Leistungen kürzen und Honorare begrenzen statt angesichts unserer Demographie die Beiträge vollends explodieren zu lassen. Das Ziel, allen die wirklich notwendigen Leistungen zukommen zu lassen, bleibt gewahrt.
Was macht im Vergleich dazu die PKV? Die Patienten versichern sich in teuren Tarifen, um die Bindungen an Honorarordnungen aufzuweichen. Budgets? Fehlanzeige. Statt dessen fühlt sich der Privatpatient "gut behandelt", wenn er objektiv übertherapiert wurde. Demographieproblem? Die Altersrückstellungen werden es hoffentlich richten. Ansonsten Augen zu und durch.
Eigenverantwortung
Jeder kann das Leistungsniveau versichern, was er für sich für notwendig hält und das zu seinem Geldbeutel passt. Das Kleingedruckte vieler Tarife ist interessanter Weise nur deshalb so lang, weil man die zahlreichen Leistungslöcher darin verstecken musste. Der normale Patient ist hoffnungslos mit der Tarifauswahl überfordert und - liebe Vermittler, verzeiht mir den Kommentar - mancher aus eurer Zunft auch.
Ich bin zwar gegen viel staatliche Regulierung, aber dem Tarifwildwuchs dürfte durchaus Einhalt geboten werden. Elektrische Geräte müssen gewissen sicherheitstechnischen "Mindestanforderungen" genügen, bei einem so existentiellen Produkt wie der Krankenversicherung sollte das analog dazu gelten.
Soziale Gerechtigkeit
Ich finde es durchaus ok, wenn Familien von der GKV derart bevorzugt werden, dass es den meisten PKV-Versicherten die Zornesröte ins Gesicht treibt. Kinder sind jede Subvention wert.
Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht sinnfrei, dass höhere Einkommen nicht zum solidarischen System beitragen müssen. Aber mich fragt ja keiner ...
Dem Einzelnen, der sich "besser" versichern will, ist umgekehrt wohl kaum vorzuwerfen, dass er das Angebot der PKV nutzt. Es aus Idealismus nicht zu tun, wäre aus meiner Sicht zu viel verlangt.
Ach ja, eine Bemerkung am Rande:
Wir alle machen gerne mal Urlaub und daher finde ich es nicht verwerflich wenn auch ein Arzt das gelegentlich tut.
Fazit
Unsere GKV ist besser als ihr Ruf. Wenn Du dich mal intensiver mit PKV-Tarifen, ihren Leistungen und Nicht-Leistungen auseinander gesetzt hast, weißt Du das zu schätzen!
PKV kann sich abhängig von den Leistungsansprüchen und Lebensumständen in Form einer (evtl. nur anfänglichen) Beitragsersparnis lohnen. Allerdings sollte man sich sehr sehr genau vorher über die Konsequenzen dieses Schritts informiert haben.
Re: wer ist wirklich besser, gesetzl. oder privat?
Noch einen Zahn schärfer ist das hier: leitender Angestellter mit knapp 4800€ brutto freiwillig versichert zahlt für sich und seine familienversicherte nicht berufstätige Ehefrau und zwei Kinder im Arbeitnehmeranteil 342€. Die Eheleute mit den beiden Kindern aus dem Nachbarhaus sind in der gleichen Firma als Arbeitnehmer pflichtversichert und erzielen ein Bruttoeinkommen von 3000€ bzw. 1800€. Beide müssen aber an die gleiche Kasse 273€ plus 164€ also insgesamt 437€ für Krankenversicherung und Pflegeversicherung abführen.
Kein Aufschrei, denn das war schon immer so!
Eingeführt wurde der ganze "Versicherungszwang" 1883 unter Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser. Andere Fußangeln wie z.B. das Ehegattensplitting, die Versicherung der Rentner oder auch die Steuerklassen I bis IV legten die Nationalsozialisten im Dritten Reich und konnten mit ihrer Sozialpolitik die Zustimmung von breitesten Teilen des Volkes erkaufen. Heute vollzieht sich, wie Götz Aly bereits vor vier Jahren so treffend analysierte, diese Art von politischem Stimmenkauf mit einer ausufernden Sozialpolitik durch Verschuldung zu Lasten der nächsten Generation. Quelle: http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2005/01/15/a0167