Wie die Ärzte ihr Geld bekommen - und warum BKKn nicht weniger bezahlen (Krankenkassenrecht)

Tobi @, Mittwoch, 07.04.2004, 10:27 (vor 7538 Tagen)

Die oft zitierte Kopfpauschale enthält absolut keine Information darüber, wie „gut“ eine einzelne Krankenkassen die ärztliche Behandlung bezahlt. Für sich allein betrachtet ist die Kopfpauschale eine aussagelose rechnerische Größe.

Stattdessen müssen die sog. Punktwerte verglichen werden, denn nur so wird erkennbar, was eine Krankenkasse für eine einzelne Leistung bezahlt. Dabei wird die Gesamtvergütung durch den Leistungsbedarf, das sind die gesamten in Anspruch genommenen ärztlichen Behandlungen, geteilt.
Jede einzelne ärztliche Leistung ist mit einer festen Punktzahl bewertet. Alle einzelnen Leistungen werden in Punkten zusammengerechnet und ergeben den Leistungsbedarf aller Versicherten einer Krankenkasse. Über den Faktor des Punktwertes ergibt sich die tatsächliche Zahlung, die eine Krankenkasse leistet. Und hier liegen die wesentlichen Unterschiede: das BKK-System liegt im Vergleich zu den Wettbewerbern AOK und IKK weit vorn.

Der Rechenweg zur Ermittlung des Punktwertes sieht so aus:
BKK xy mit einer gesunden Mitgliederstruktur und daher geringem Bedarf an ärztlichen Leistungen:
Kopfpauschale 100 € x Mitgliederzahl 100.000 = Gesamtvergütung 10 Mio. €
Gesamtvergütung 10 Mio. € / Leistungsbedarf 200 Mio. Punkte
= Punktwert 5 Cent

Wettbewerber, der mit seiner hohen Kopfpauschale „wirbt“, dessen Versicherte aber mehr ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen:
Kopfpauschale 120 € x Mitgliederzahl 1.000.000 = Gesamtvergütung 120 Mio. €
Gesamtvergütung 120 Mio. € / Leistungsmenge 3 Mrd. Punkte
= Punktwert 4 Cent

Konsquenz: Trotz höherer Kopfpauschale bezahlt der Wettbewerber die ärztlichen Leistungen schlechter, nämlich nur mit 4 Cent pro Punkt gegenüber der BKK xy mit 5 Cent je Punkt. Im Beispiel zahlt die BKK xy 25 % mehr als der Wettbewerber, obwohl Ihre Kopfpauschale niedriger ist.

Es wird deutlich, dass die Kopfpauschale keine Aussagekraft hat. Die höhere Kopfpauschale des Wettbewerbers führt aufgrund des höheren Leistungsbedarfes der Versicherten des Wettbewerbers (diese gehen durchschnittlich häufiger zum Arzt) zu einem geringeren Punktwert. Damit zahlt diese Krankenkasse trotz höherer Kopfpauschale deutlich weniger für jede einzelne ärztliche Leistung als die BKK xy. Entscheidend dafür, ob eine Krankenkasse ärztliche Leistungen gut oder schlecht bezahlt, ist damit allein der Punktwert.


Zusammenfassung:

1. Die Krankenkassen zahlen die Arzthonorare nicht unmittelbar an die Vertragsärzte („Kassenärzte“), sondern an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) der Region, die dann das von allen Krankenkassen in ihrer Region gezahlte Honorar an alle Ärzte in ihrer Region verteilt. Welche Beträge eine Krankenkasse an die KV zahlt, richtet sich nach einem Honorarvertrag, den die Verbände der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung ausgehandelt haben.

2. Grundlage für die Honorarsumme ist zum einen die Mitgliederzahl der betreffenden Krankenkasse und zum anderen ein bestimmter Euro-Betrag pro Mitglied und Quartal, die so genannte Kopfpauschale. Diese Kopfpauschale pro Mitglied wird unabhängig davon gezahlt, wie viele Versicherte der Krankenkasse tatsächlich zum Arzt gegangen sind und wie viele ärztliche Leistungen dabei angefallen sind.

3. Die von den Krankenkassen gezahlten Kopfpauschalen werden jährlich im gleichen Maß angehoben wie die durchschnittlichen Einkommen der Beitragszahler.

4. Neben den Kopfpauschalen zahlen die Krankenkassen für bestimmte ärztliche Leistungen, z. B. für die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, noch eine gesonderte „Vergütung nach Einzelleistungen.

5. Mit der Zahlung an die KV haben die Krankenkassen ihre Verpflichtung gegenüber den Ärzten erfüllt.
Die Honorarverteilung an die einzelnen Ärzte übernehmen die Kassenärztlichen Vereinigungen in eigener Verantwortung. Sie erfolgt auf der Grundlage einer vertraglichen Gebührenordnung, die die einzelnen ärztlichen Leistungen auflistet.
Die KV bilden dabei in der Regel für die verschiedenen Fachgruppen, z. B. für Hausärzte oder Gynäkologen, unterschiedliche „Honorartöpfe“.

6. Für die Abrechnung der einzelnen ärztlichen Leistungen werden Obergrenzen bzw. Budgets vorgegeben. Diese Obergrenzen bzw. Budgets sind ein Instrument, um unwirksame bzw. überflüssige Behandlungen (Beispiel: Doppelte Röntgenuntersuchungen statt Weiterleitung vorhandener Röntgenaufnahmen an mitbehandelnde Fachärzte bzw. Krankenhäuser) im Interesse der Patienten und der Beitragszahler zu vermeiden.


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