Kontrahierungszwang nach Heirat? (Krankenkassenrecht)
Hallo,
ich bin verzweifelt, vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Ich habe im Juli 2008 einen Bundesbeamten geheiratet und würde gern in eine private Krankenversicherung wechseln mit einem guten Auslandsschutz, da wir für 4 Jahre nach Frankreich gehen. Ich gehe mit meinem Mann mit und muß demnächst meine Studentenversicherung (gesetzlich) verlassen, danach bin ich zu 70% beihilfeberechtigt.
Leider habe ich eine Vorerkrankung. 2004 war ich in psychotherapeutischer Behandlung, bis 2007 hatte ich eine anschließende ambulante Behandlung.
Ich habe bereits mit mehreren Versicherungsmaklern gesprochen und diese meinten, dass mich niemand versichern würde, einschließlich der PKV meines Mannes.
Gibt es möglicherweise einen Kontrahierungszwang für mich wegen der Heirat bzw. wie könnte ich mich sonst weiter versichern? In die französiche Krankenkasse gehen?
Wenn es einen Kontrahierungszwang gibt, ist dieser zeitlich begrenzt?
Wie gesagt, ich bin verzweifelt und habe keine Ahnung wie es krankenkassentechnisch weitergehen soll.
Danke im Voraus.
Katje
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Thomas, Mittwoch, 06.08.2008, 03:55 (vor 5957 Tagen) @ Katja
Die Makler haben Sie falsch informiert, da es keine Provision für das aufwendige Kontrahierungszwangsgeschäft gibt.
Grundsätzlich wirkt der Kontrahierungszwang auch nach Eheschließung - informieren Sie sich hierzu mit der Broschüre des PKV-Verbands unter www.pkv.de. Inwieweit Ihre jetzige GKV-Versicherung diesen Kontrahierungszwang blockiert bzw. diese Blockade durch die Exmatrikulation entfällt, klären Sie bitte mit der PKV Ihres Mannes. Wichtig ist, dass Sie einen Beihilfeanspruch haben.
Jedoch werden Sie in keinen Beihilfeergänzungstarif kommen sowie je nach Beihilfeträger auch keine Wahlleistungen erhalten und damit nicht den Schutz Ihres Mannes erhalten. Damit ist auch der Auslandsschutz fraglich bzw. eingeschränkt, da Ihr Mann wohl im Diplomatentarif ist. Die Beihilfe deckt aber bei einer dienstlichen Abordnung die Kosten des Gastlandes komplett, die deutschen PKVen zahlen in den Normaltarifen oft nur bis zum 3,5-fachen Steigerungssatz der deutschen Gebührenordnung.
Informieren Sie sich bitte direkt bei Ihrer PKV oder deren direkt von der PKV bezahlten Außendienst und nicht über provisionsabhängige Makler!
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Katja , Dienstag, 23.09.2008, 19:31 (vor 5909 Tagen) @ Katja
Hallo Thomas,
erst einmal vielen Dank für Ihre umfangreiche Antwort. Ich bin Ihrem Rat gefolgt und habe mich erst an die Landesgeschäftstelle der PKV meines Mannes gewendet und schließlich wurden wir an einen Außendienstmitarbeiter weitergeleitet.
Fakt ist, ich bin nicht mehr in der GKV, da sie mich aus der studentischen Versicherung entlassen hat. Theoretisch bin ich seit 01.09. in der PKV. Der Außendienstmitarbeiter sicherte mir den BE-Tarif zu. Ich habe unterschrieben, dass ich den BE-Tarif erhalten werden. Jetzt verlangt die PKV von mir, dass ich den BE-Tarif schriftlich widerrufe, da sie ihn mir nicht gewähren können.
Können Sie mir sagen, wie ich weiter verfahren könnte? Ein Widerruf scheint mir nicht rechtmäßig, ich möchte mich auch nicht selbst von Leistungen entbinden.
Wir haben den Außendienstmitarbeiter auch auf diesen Tarif hingewiesen und ich habe diesbezüglich konkrete Fragen gestellt.
Können Sie mir eventuell weiterhelfen?
Vielen Dank im Voraus
Katja
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Thomas, Dienstag, 23.09.2008, 23:03 (vor 5908 Tagen) @ Katja
Sie haben einen Versicherungsantrag auf den Tarif BE (Handelt es sich hier um die Debeka oder welche PKV?) gestellt. Was der Vertreter Ihnen hinsichtlich der Risikoprüfung verspricht, ist rechtlich irrelevant, es zählt allein die Policierung durch die Zentrale aufgrund der Risikoprüfung in der Zentrale. Wird der BE nicht policiert (d.h. er ist nicht auf dem Versicherungsschein erwähnt), müssen Sie gar nichts unterschreiben, man hat Ihren Antrag schlichtweg abgelehnt. Diese Freiheit hat jedes Versicherungsunternehmen, da der Kontrahierungszwang erstens freiwillig ist, zweitens keine gesetzliche Grundlage hat, drittens nur durch Drohung der Politik entstand, Beamten einen Arbeitgeberanteil zur GKV zu zahlen, und viertens leider keine Beihilfergänzungstarife umfasst.
Rechtlich haben Sie durch eine Heirat leider nur Anspruch auf Entfall aller Wartezeiten, was aber durch Ihre Vorversicherungszeit in einer GKV sowieso irrelevant ist.
Sollte allerdings der BE policiert worden sein, d.h. er ist auf dem Versicherungsschein (dies ist nicht der Durchschlag Ihres Antrags!) erwähnt, dann werden Sie den Teufel tun und auf irgendetwas verzichten! Denn: Pacta sunt servanda!
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Katja , Mittwoch, 24.09.2008, 01:23 (vor 5908 Tagen) @ Thomas
Hallo Thomas,
es handelt sich bei der PKV in der Tat um die Debeka. Danke für die Antwort, jetzt bin ich wieder etwas schlauer. Leider habe ich auch keinen Versicherungsschein, wie es aussieht bekomme ich den wohl erst, wenn ich auf den BE -Tarif verzichte. Es ist gut zu wissen, dass eine unrichtige Aufklärung durch den Vertreter rechtlich unerheblich ist. Ich hatte ihn noch gefragt, welche Konsequenzen dies für mich hätte. Allerdings hat er diese Frage in keinster Weise beantwortet. Ich habe die Versicherungsbedingungen für den BE-Tarif vor mir liegen und wie mir scheint, deckt nur der BE-Tarif die Heilbehandlung im Ausland ab. Würde das heißen, wenn ich in Frankreich zum Arzt muss und die Beihilfe nicht alles zahlt, ich den Rest dann selbst zahlen muss, da der Rest über den BE-Tarif abgedeckt wäre? Allerdings hatten Sie in Ihrem Beitrag vom 06.08. geschrieben, dass bei einer dienstlichen Abordnung die Beihilfe die Kosten komplett abdeckt. Wieso würde die Beihilfe 100% übernehmen , wenn ich nur zu 70% beihilfeberechtigt bin oder habe ich dies möglicherweise falsch verstanden?
Vielen Dank für ihre Mühe
Katja
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Katja , Mittwoch, 24.09.2008, 10:21 (vor 5908 Tagen) @ Katja
Hallo Thomas,
ich habe noch einmal mit meinem Mann gesprochen und er sagte mir, dass er versetzt worden ist und nicht abgeordnet. Eine Abordnung erfolgt ist bis zu einem Jahr, eine Versetzung darüber hinaus. Ich weiss nicht, ob dies von Relevanz ist bzw. ob eine Versetzung einer Abordnung gleich steht.
Interessant ist noch zu wissen, inwiefern ich bei Schwangerschaft im Ausland abgesichert wäre. Ich kann mir allerdings immer noch nicht vorstellen, dass die Vertreter der PKVs "das Blaue vom Himmel" erzählen können, auch auf konkrete Nachfrage hin. Im Grunde genommen hat unser Vertreter uns bezüglich des BE-Tarifs belogen hat. Demnach ist ein Beratung wohl kaum etwas wert. In diesem Sinne einen schönen Tag.
Katja
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Thomas, Mittwoch, 24.09.2008, 20:55 (vor 5907 Tagen) @ Katja
Seien Sie mir nicht böse, aber Sie hätten nie die Debeka zum Kontrahierungszwang nutzen sollen, denn ohne BE weist die Debeka leider großte Lücken auf. So sind die Hilfsmittel unterversichert, d.h. 80% der Hilfsmittel, die beihilfeähig sind, werden nicht von der Debeka bezahlt! Erst der BE öffnet das Hilfsmittelkatalögchen der Debeka auf Beihilfeniveau! Kur und Reha sind mit oder ohne BE bei der Debeka faktisch nicht versichert!
Die Auslandsversicherung im BE ist für Sie irrelevant, da dieser Teil gar nicht greift. Denn Sie haben bei einer Versetzung Ihres Mannes im Ausland Ihren ständigen Wohnsitz. Ich zitiere hier den Tarif BE:
"Als Ausland gilt nicht das Staatsgebiet, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat."
D.h. hier greift kein Auslandsreiseversicherungstarife, auch nicht der BE! Seien Sie mir nicht böse, aber Sie müssen schon die Bedingungen lesen und nicht dem Geschwätz von Vertretern glauben. Gut, vielleicht ist das Ihre erste Erfahrung im Leben mit Versicherungsvertretern. Diese sind leider in Deutschland oft nur mittelmäßig ausgebildet und häufig ist die Ausbildung primär auf Absatz und nicht auf das Wohl des Kunden hin orientiert! Dass das Unwissen bei der Debeka mittlerweile auch sehr häufig ist - sieht man hier im Forum - ist zudem traurig!
Damit übernimmt bei einer Versetzung ins Ausland die Beihilfe bei Ihrem Mann 50% der tatsächlichen Kosten und 70% Ihrer Kosten. Die Debeka übernimmt vertraglich bei Ihrem Mann 50% der Kosten bis zum Höchstsatz der deutschen Gebürhenordnung und bei Ihnen 30%. Die Rechnungsanteile, die darüber liegen, können von der Debeka aus Kulanz erstattet werden, müssen aber nicht, da Ihre Tarife eine Bindung auf die deutsche Gebührenordnung vorsehen. Wie sich die Debeka in diesem Fall verhält, erfragen Sie bitte direkt in der Fachabteilung in Koblenz unter Umgehung des wohl ahnungslosen Außendiensts und beharren auf einer schriftlichen Stellungnahme. Ich habe hierzu schon seltsame Schreiben der Debeka gesehen, dass die Debeka "aufgrund des bisherig guten Vertragsverhältnisses bis auf Weiteres" alles zahlt, sich aber den Widerruf vorbehält. Sollte die Debeka nicht alles zahlen, müssen Sie sich mal mit der Beihilfe unterhalten, ob diese das übernimmt. Das ist aber Dienstrecht und damit nicht mein Spezialgebiet!
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Katja , Mittwoch, 24.09.2008, 21:44 (vor 5907 Tagen) @ Thomas
Hallo Thomas,
ihre konstruktive Kritik ist durchaus gerechtfertigt. Ich werde in Koblenz anrufen. Zudem war es recht naiv von mir zu glauben, der Vertreter würde korrekte Angaben machen. Nach Frankreich werde ich dann wohl die Kasse wechseln. Die Bedingungen für einen Kassenwechsel müßte ich bis dahin erfüllen. Ich werde Ihnen eine kurze Rückmeldung über den zukünftigen Stand der Dinge geben.
Katja
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Thomas, Donnerstag, 25.09.2008, 01:27 (vor 5907 Tagen) @ Katja
Setzen Sie aber bitte die Debeka auf Anwartschaft, denn Sie werden bei einer Rückkehr nach D nach einmaligem Nutzen des Kontrahierungszwanges in keine andere deutsche PKV aufgenommen werden, außer eine andere PKV nimmt eine andere Risikoeinschätzung vor!
Re: Kontrahierungszwang nach Heirat?
Thomas, Donnerstag, 25.09.2008, 01:34 (vor 5907 Tagen) @ Thomas
Habe Sie leider missverstanden und dachte, Sie wollen in Frankreich in eine französische Versicherung! Das wäre allerdings eine Option, wenn die Debeka bei Ihnen die Kosten nur auf deutschen Niveau bezahlen will und dies in F nicht ausreicht, was ich mir aber nicht vorstellen kann.