Den Krankenkassen fehlen 7,5 Milliarden Euro! (Krankenkassenrecht)

olli77, Dienstag, 06.10.2009, 20:31 (vor 5529 Tagen)

Mehr als sieben Milliarden Euro fehlen den gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr nach heutigem Stand. Das ist das mit Spannung erwartete Ergebnis der offiziellen Schätzung - und zugleich eine große Bürde für Union und FDP, die an diesem Mittwoch in Berlin ihre Verhandlungen zum schwierigen Punkt Gesundheit aufnehmen.

Zwei Tage lang rechneten die Finanzgurus der Krankenkassen, von Bundesgesundheitsministerium und Bundesversicherungsamt in den nüchternen Räumen dieser Bonner Behörde Einnahmen und Ausgaben gegeneinander. Nun steht fest: Der rapide Anstieg der Kosten für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel kann nach jetzigem Stand von den Einnahmen nicht gedeckt werden. Leichte Lohnzuwächse reichen dafür wegen der im Jahr zwei der Wirtschaftskrise wohl steigenden Arbeitslosigkeit nicht aus.

Wenn die zwölf Experten von CDU, CSU und FDP unter der Leitung der Noch-Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nun in der Berliner Landesvertretung Niedersachsens zusammenkommen, blicken sie erst einmal in ein tiefes Milliardenloch. Den Versicherten drohen reihenweise steigende Beiträge.

Die Arbeitgeber sollen hingegen möglichst verschont werden - der Einheitssatz von 14,9 Prozent soll wohl bleiben, wie bereits die scheidende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) früh betont hat. Zwar soll der Zufluss aus der Steuerkasse nächstes Jahr um 1,5 auf mehr als 11 Milliarden Euro steigen. Noch größeren Zuwächsen, um die klaffende Lücke zu schließen, stehen die Haushaltsnöte der neuen Regierung entgegen.

Die Chefin des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, weist nachdrücklich auf die Varianten steigender Steuerzuschüsse oder höherer Beiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hin. «Wenn beides nicht passiert, werden zahlreiche Krankenkassen im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erheben müssen.» Die Zusatzprämien dürfen die Kass en allein von ihren Versicherten erheben, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Ein Prozent des Einkommens dürfen sie betragen - angesichts der Finanznöte spekulieren Beobachter darauf, dass die neue Koalition als eine der ersten Maßnahmen diese Sozialklausel kippen oder die Grenze zumindest anheben könnte.

Die Gewerkschaften machen bereits Front gegen befürchtete Einschnitte im Monatsbudget vieler der 70 Millionen Versicherten. «Unsere Sorge ist, dass zusätzliche Belastungen ausschließlich auf die Versicherten zukommen, die sich die Menschen nicht leisten können, vor allem diejenigen mit kleinem und mittleren Einkommen nicht», sagt das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Annelie Buntenbach. Sie fürchtet ein Zusammenschmelzen des paritätisch finanzierten Teils der gesetzlichen Krankenversicherung und Abstriche bei den Leistungen - wenn zum Beispiel Zahnersatz oder Krankengeld ausgegliedert werden sollten. Noch ist nichts klar. Buntenbach warnt aber: «Wenn es soweit kommt, werden wir dem entschieden entgegentreten.»

Der Druck auf die Arbeitnehmer-Beiträge steigt durch das Krisendarlehen an den Gesundheitsfonds von mehr als 2 Milliarden Euro in diesem Jahr. Bis 2011 soll der Fonds das Geld an den Bund zurücküberweisen - was die Finanznöte der einzelnen Kassen noch vergrößern würde. Noch haben sie allerdings auch noch eine Reserve von rund 5 Milliarden Euro.

Offen ist, ob Union und FDP schnell noch auf die Kostenbremse treten wollen. «Jetzt muss die Ausgabenseite in den Blick genommen werden», fordert Pfeiffer, «denn angesichts der dramatischen Einnahmeausfälle (...) dürfen die Einnahmen der Pharmaindustrie, der Krankenhäuser und der Ärzte nicht ungebremst steigen.» Doch bereits Schmidt machte die Erfahrung, dass gegen die Lobbyinteressen im Gesundheitswesen schwer anzukämpfen ist - und bei vielen Ärzten und Apothekern knallten nach dem Wahlsieg der künftigen Koalitionspartner die Sektkorken.

Re: Den Krankenkassen fehlen 7,5 Milliarden Euro!

Joachim Röhl ⌂ @, Berlin 0172-3079777, Mittwoch, 07.10.2009, 00:25 (vor 5529 Tagen) @ olli77

So langsam kommen die Wahrheiten auf den Tisch und allein mit ein bischen Kosmetik beim Zusatzbeitrag wirds nicht getan sein, danach folgt die schrittweise Erhöhung des Einheitssatzes und was danach kommen muß, kann man ob nun gewollt gewünscht oder auch nicht im gelben Wahlprogramm nachlesen. Wenn aber die Dämme komplett brechen und noch mehr Politiker aus der Mitte der Gesellschaft wie zuletzt Sarrazin (SPD) oder der Berliner Bezirksbürgermeister Buschkowsky (SPD) die richtigen Fragen stellen, bleibt die Frage mundtot machen und ausgrenzen oder endlich Reformen auf den Weg bringen. Man kann von der Bildzeitung ja halten was man will, aber die größte Schnittmenge hat sie im Lande egal ob West oder Ost http://www.bild.de/BILD/politik/2009/10/06/thilo-sarrazin/darf-man-als-bundesbanker-so-etwas-sagen.html und über 80% der Leser fanden die Sätze des Bundesbänkers immerhin gut. Und wer sich noch erinnert, vor genau 20 Jahren feierte ein deutscher Staat seinen 40.Geburtstag bevor er kurzdrauf unterging, wo verantwortliche Politiker glaubten sie wären auf dem richtigen Weg! Volkes Stimme überhört und dann die Quittung bekommen. Hoffentlich zieht hier noch einer die Notbremse, bevor wir auch in der Medizin Zustände wie in England bekommen mit durchschnittlichen 26 Wochen um einen Facharzt zu sehen oder bis zu einem Jahr Wartefrist in der NSH für eine OP-Termin. Aber auch 50€ Zuzahlung pro Tag im Krankenhaus oder die Versorgung der medizinisch ausgedünnten bundesdeutschen Fläche mit einfachen Gemeindekrankenschwestern für die Breitenversorgung oder die erneute Streichung zahnärzlicher Leistungen, der Kur, der Reha und der Haushaltshilfen wären ja mal eine Diskussionsgrundlage. Auch die kostenlose Familienversicherung ist fragwürdig. In einschlägigen Foren diskutieren heute schon die Leistungserbringer abfällig über die deutsche "WANZ-Medizin": wirtschaftlich-ausreichend-notwendig-zweckmäßig soll die Chipkartenversorgung in der GKV sein. Es steht uns so einiges bevor, bleiben wir alle also aufmerksam gespannt und gesund. Ach und eh ichs vergesse, die PKV in Deutschland mit ihren gerade mal 8 Millionen Mitgliedern hat mittlerweile Alterungsrückstellungen in Höhe von rund 120 Mrd. Euro und damit wird endgültig klar, was Ulla damit beabsichtigte.

Re: Den Krankenkassen fehlen 7,5 Milliarden Euro!

Bodi, Mittwoch, 07.10.2009, 10:16 (vor 5529 Tagen) @ Joachim Röhl

Die Defizite sind vor allem eine Folge der vermurksten Gesundheitsreform

Ein Problem ist, dass der Gesundheitsfonds bei Ärzten und Krankenkassen völlig falsche Anreize setzt - nach dem Motto: je kränker, desto besser. Das artet zu einem Fass ohne Boden aus.

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,653048,00.html

Und wer glaubt ernsthaft, dass die Kassen die Darlehen aus dem Bundeshaushalt in den nächsten Jahren zurückzahlen können?

Was aus meiner Sicht z.B. kommen wird (die Wahlen sind vorbei - die Zeit der unangenehmen Entscheidungen steht an) :

Weitere Leistungseinschränkungen
Höhere Selbstbeteiligungen
Abschaffung der Beitragsvorteile für pflichtversicherte Rentner (d.h. auch Mieteinnahmen usw. wären beitragspflichtig).
Abschaffung der kostenlosen Familienversicherung für Ehegatten

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